Abnahme

Beitrag des Finanzsektors zu mehr Nachhaltigkeit

Paradigmenwechsel für den Planeten.

Der UN-Klimagipfel von Madrid im Dezember 2019 endete aus Sicht der EU eher unbefriedigend. Sie selber legte zum gleichen Zeitpunkt mit dem „Green Deal“ ehrgeizige Pläne für den Klimaschutz vor. Und sie hat erkannt: Damit dies gelingt, muss der Finanzsektor seinen Teil beitragen.

Vor einem drastischen Anstieg der Weltmeere warnt der Weltklimarat IPCC in seinem im September 2019 veröffentlichten Sonderbericht. Höchste Zeit gegenzusteuern. Die Vereinten Nationen haben den Handlungsbedarf bereits vor einigen Jahren erkannt und im Jahr 2015 die „Sustainable Development Goals“ (SDG) entwickelt. Darin werden insgesamt 17 Ziele definiert, um die Zukunft von Menschheit und Natur zu sichern. Im Wesentlichen lassen sich die SDG in die drei Themenfelder „Umwelt“, „Soziales“ und „Kultur des globalen Zusammenlebens“ klassifizieren.

Im Jahr 2015 definierten die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele („Sustainable Development Goals“). Diese beziehen sich auf die Bereiche Umwelt, Soziales und Kultur des globalen Zusammenlebens. Die 17 SDG sind bis 2030 gültig.

Die EU sieht den Finanzsektor als einen der Schlüsselakteure für das Erreichen der SDG. Sie veranschlagt in ihrem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen den zusätzlichen Finanzbedarf zur Bekämpfung des Klimawandels auf 180 Mrd. Euro – pro Jahr. Bezugspunkt dieses Aktionsplans sind die Beschlüsse der UN-Klimakonferenz von Paris 2015. Richard Gröttheim, CEO des 65 Mrd. US-Dollar schweren schwedischen Staatsfonds AP7, sieht Paris als „Game Changer“. Im Fokus der Beschlüsse steht die Vereinbarung, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Wie aber können die Klimaziele von Paris verbindlich in institutionelles Portfoliomanagement überführt werden? Um diese Verbindung herzustellen, soll eine sogenannte Taxonomie helfen. Ihre Aufgabe wird es sein, nachhaltiges Investieren mit verbindlichen Merkmalen und Kriterien zu hinterlegen und so als festen, messbaren Bestandteil im Portfoliomanagement zu verankern.

Die Politik macht also immer engere Vorgaben. Und diese werden von den Akteuren des Finanzsektors zunehmend aufgegriffen und umgesetzt. So erreichte das Volumen nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland mit 219,1 Milliarden Euro im Jahr 2018 einen neuen Spitzenwert. Diese Zahl nennt das „Forum Nachhaltige Geldanlagen“ (FNG), ein gemeinnütziger Verein, der sich seit fast 20 Jahren für mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor einsetzt, in seinem „Marktbericht 2019“. Die Deka kann diese Entwicklung aus eigener Erfahrung bestätigen: Das Volumen nachhaltiger Anlageprodukte bei der Deka Investment GmbH hat sich seit 2012 mehr als verfünffacht, auf 10,9 Mrd. Euro im Jahr 2018.

Die drei großen „R“ als Treiber der Entwicklung.

Die Motive, aus denen heraus das Nachhaltigkeitsengagement im Finanzsektor zunimmt, sind vielfältig. Im Fokus stehen die drei „großen R“: Regulatorik, Risikomanagement und Reputation. Nach Auffassung der BaFin wird künftig kein Akteur des Finanzsektors das Thema Nachhaltigkeit ignorieren können. Der Regulierungsbehörde kommen dabei wichtige Aufgaben zu. Denn für den Finanzsektor als Ganzes übernehmen regulatorische Anforderungen derzeit noch eine zentrale Treiberfunktion für die systematische Integration von Nachhaltigkeit in Anlage und Investitionsentscheidungen. Und diese Entwicklung wird sich eher noch intensivieren: Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka Investment, rechnet in den kommenden Jahren mit einer regelrechten „Regulierungswelle“. Im Dezember 2019 veröffentlichte die BaFin ein „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“.

Nachhaltigkeitsrisiken werden dabei als „Faktoren“ von insgesamt sieben „bekannten Risikoarten“ betrachtet (siehe Infografik auf S. 16/17). Die BaFin verdeutlicht dieses anhand mehrerer fiktiver Beispiele, unter anderem: „Kreditrisiko/ Adressenausfallrisiko: Ein Kreditinstitut vergibt einen Kredit an ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell auf Grund politischer Entscheidungen zu ESG-Themen wesentlich beeinträchtigt sein kann (etwa eine CO2-Bepreisung).“

Die Berücksichtigung solcher Risiken ist auch unter Reputationsaspekten wichtig. Denn für Anleger und Unternehmen hat es heute eine elementare Bedeutung, eine gute Reputation zu besitzen. Nachhaltigkeit spielt hierbei eine zentrale Rolle. Wer glaubhaft belegen kann, dass er sich für Umwelt und Gesellschaft engagiert, steigert zum Beispiel seine Attraktivität als Arbeitgeber.

Der regulatorische Druck auf Investoren und Akteure im Finanzsektor wird in jedem Fall weiter zunehmen. Auf die Performance kann sich das sogar positiv auswirken. Das Handelsblatt verweist in seinem Artikel „Besseres Klima im Depot“ vom 1. Oktober 2019 auf eine Untersuchung der Ratingagentur Scope Analysis und beschreibt die Ergebnisse wie folgt: „Die weltweit anlegenden Aktienfonds mit Ausrichtung auf nachhaltige Unternehmen schafften in den vergangenen zehn Jahren laut Scope Analysis jährlich eine Mehrrendite von durchschnittlich einem halben Prozent gegenüber Aktienfonds ohne diesen Filter. Auf kürzere Sicht über fünf Jahre stieg dieser Mehrertrag auf 1,1 Prozentpunkte jährlich. Und über nur ein Jahr gerechnet ist der Vorsprung noch einmal größer: Die Nachhaltigkeitsfonds erreichten 4,0 Prozent, die übrigen Aktienfonds nur 1,8 Prozent.“¹ Ein Automatismus, dass nachhaltig ausgerichtete Investments die finanzielle Rendite verbessern, lässt sich zwar nicht feststellen. Es ist allerdings bei zahlreichen Marktakteuren – darunter auch Richard Gröttheim vom schwedischen Pensionsfonds AP7 – zu hören, dass die Einhaltung von ESG-Kriterien und Performance zumindest kein Widerspruch sind. Ingo Speich fasst die Beziehung zwischen Nachhaltigkeit und Rendite zusammen: „Nachhaltigkeit muss sich auszahlen. Sie kann positiv auf die Rendite wirken oder auch Risiken greifbar und damit vermeidbar machen. Dies führt dann zu einer besseren Rendite-Risiko-Relation.“

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Green Bonds eignen sich besonders für wirkungsorientierte Investments. So werden die grünen Anleihen zum Beispiel eingesetzt, um Windparks zu finanzieren – ein positiver Beitrag zum Klimaschutz.

Mit Impact Investing Nachhaltigkeit zielgerichtet gestalten.

Entscheiden sich institutionelle Anleger dafür, ihr Portfolio nachhaltiger zu gestalten, können Sie aus verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten wählen. Bislang dominieren bei Nachhaltigkeits-Investments Ausschlusskriterien. Der Anleger definiert dabei eigenständig ESG-Kriterien, die ihm wichtig sind. Nach diesen Kriterien wählt er dann die Zielunternehmen aus, in die er investieren möchte. Entsprechen Unternehmen hingegen nicht seinen ESG-Kriterien, berücksichtigt er sie nicht in seinem Anlageuniversum. Typische Beispiele für solche Ausschlüsse sind die Produktion von Streubomben oder der Einsatz von Kinderarbeit. Richard Gröttheim geht mit seinem Staatsfonds darüber hinaus: Er setzt alle Unternehmen auf eine „Blacklist“, die sich den Beschlüssen der Pariser Klimaschutzkonferenz widersetzen. Das von diesen Unternehmen abgezogene Kapital investiert der Fonds in nachhaltige Projekte.

Seit einiger Zeit findet eine andere, weitergehende Anlage-Philosophie zunehmend Beachtung: „Impact Investing“. Dieses wirkungsorientierte Investieren setzt darauf, durch unternehmerisches Handeln gezielt einen aktiven gesellschaftlichen Wertbeitrag für eine nachhaltiger ausgerichtete Welt zu leisten. Unter den institutionellen Investoren gibt es vor allem bei Stiftungen eine große, strukturell bedingte Affinität zu wirkungsorientierten Anlagen. Der „Bundesverband Deutscher Stiftungen“ bringt es auf den Punkt: „Gerade Stiftungen können hier als Vorreiter wichtige Impulse setzen. Impact Investing bietet die Chance, die Anlage des Stiftungsvermögens zugunsten einer zusätzlichen gesellschaftlichen Rendite neu auszurichten.“ Auch für Pensionskassen kann Impact Investing an Bedeutung gewinnen, sie bewegen sich allerdings im Gegensatz zu Stiftungen stärker in einem Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Rendite. Ein immer noch vergleichsweise kleines Anlageuniversum nachhaltiger Anlagen verstärkt dieses Spannungsfeld zusätzlich. Speich sieht speziell die Pensionskassen zusammen mit Versicherern noch aus einem weiteren Grund vor großen Herausforderungen durch die Umstellung auf Nachhaltigkeit: „Sie haben wegen ihrer langfristigen Verpflichtungen entsprechend langfristig investiert. Das macht eine Neuausrichtung des eigenen Anlageportfolios unter Nachhaltigkeitsaspekten schwieriger. Beispiel: Ein lang laufender Vertrag mit einem Infrastrukturprojekt, das als klimaschädlich gilt.“ Speich mahnt daher bei allen Investitionsentscheidungen Augenmaß an und plädiert für eine ausgewogene Balance zwischen Kapitalmarktfähigkeit und Nachhaltigkeit.

Die Deka gestaltet diese Entwicklung aktiv mit. In ihrer Geschäftsstrategie 2018 veröffentlicht die Deka-Gruppe erstmals eine „Positivliste“, in der definiert wird, welche nachhaltigen Projekte sie mit ihren Finanzierungen unterstützen möchte. Damit setzt die Deka die von der Politik gewünschte Lenkungswirkung nachhaltiger Investments gezielt um. Ingo Speich: „Die Finanzwirtschaft hat eine Lenkungsfunktion für die gesamte Wirtschaft. Wenn man die Finanzbranche reguliert, reguliert man indirekt auch die deutsche Industrie.“

Impact Investing eignet sich dabei aufgrund seiner auf direkte Wirkung ausgerichteten Philosophie in besonderer Weise für die gezielte Transformation von Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit.

„Jeder institutionelle Investor sollte im Rahmen seiner Anlagepolitik überprüfen, ob in den jeweiligen Anlageklassen eine nachhaltige Wirkung jenseits von Zinsen, Dividenden und Kursgewinnen erzielt werden kann.“

Ingo Speich

Leiter Corporate Governance und Nachhaltigkeit bei der Deka Investment

Nachhaltige Investments in der Praxis.

Eine Schlüsselrolle bei dieser Transformation spielen Green Bonds. Mehr als zehn Jahre, nachdem die Europäische Entwicklungsbank (EIB) den weltweit ersten Green Bond emittiert hat, wächst das Segment wie kaum ein zweites. Dies ist nur folgerichtig, denn die Philosophie von Green Bonds passt perfekt zum Impact Investing-Trend. Der Grund: Unabhängig von ihrer konkreten Struktur dienen Green Bonds dem Ziel, klimaschützende Projekte zu finanzieren oder zu refinanzieren. So werden mit den „grünen“ Anleihen beispielsweise Solar- und Windkraftanlagen sowie andere regenerative Energien finanziert. Aber auch nachhaltiges Abfall- und Wassermanagement sowie klimaeffiziente Gebäude und Transportlösungen sind Gegenstand von Green Bond-Finanzierungen.

Ein anderes, vor allem von Stiftungen genutztes Investitionsvehikel sind Social Impact Bonds (SIB). Mit Hilfe von SIB „können Stiftungen soziale Innovationen – vor allem in der Prävention – anschieben und gleichzeitig eine auskömmliche Rendite erwirtschaften“, heißt es in einem Beitrag auf der Webseite des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. „SIB sind ein ‚sozialer Wirkungskredit‘, über den private Förderer wie Stiftungen mit Risikokapital soziale Projekte über einige Jahre vorfinanzieren. Dieses Kapital verschafft zum Beispiel Kommunen Spielraum zur Erprobung neuer Ansätze, z.B. für Investitionen in präventive Maßnahmen, die heute im Sozialsystem oft unterbleiben.“ Als ein Beispiel wird das Projekt „Bildungschancen von Kindern verbessern“ in Mannheim genannt. Benachteiligten Kindern soll der Übergang zu einer weiterführenden Schule ermöglicht werden. Ein von der BASF SE als Förderer finanzierter SIB ermöglicht unter anderem die Finanzierung zusätzlicher Unterrichtsstunden und Kurse zur individuellen Kompetenzstärkung.

Die Bandbreite der Umsetzungsformen für nachhaltiges Investieren reicht von der konsequenten Integration von ESG-Kriterien in jede Anlageentscheidung bis zum Verfolgen von Best-In-Class-Ansätzen. Von großer Bedeutung ist auch „Active Ownership“, der gezielte Dialog mit dem Management sowie die Stimmrechtsausübung bei börsennotierten Unternehmen. Im Fokus sollte dabei laut Ingo Speich „die gesellschaftliche Wirkung stehen, die ich mit meiner Anlage erziele. Jeder institutionelle Investor sollte im Rahmen seiner Anlagepolitik überprüfen, ob in der jeweiligen Anlageklasse eine solche Wirkung jenseits von Zinsen, Dividenden und Kursgewinnen erzielt werden kann und diese dann auch anstreben. Dies kann bei Aktien über Stimmrechtsausübung und Unternehmensdialog oder bei Staatsanleihen über Dialog mit dem Staat bei Roadshows von neuen Anleihen oder Forderungen in Form von Briefen an das jeweilige Finanzministerium geschehen. Ziel muss es sein, mit seiner Anlage etwas zu bewegen. Passivität zahlt sich langfristig nicht aus.“

Der Markt für nachhaltiges Investieren ist also in Bewegung. Inwieweit die ökologische oder soziale Wirkung von Investments künftig Priorität gegenüber der finanziellen Rendite haben wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein solcher Paradigmenwechsel setzt neben entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen vor allem einen Reflexionsprozess auf Anlegerseite voraus, mit dem Ziel, als Anleger „auch seine eigene Anspruchshaltung im Hinblick auf die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu hinterfragen“, weist Speich auf die gesellschaftspolitische Dimension hin.

Ein Anfang ist also gemacht, es bedarf aber großer Anstrengungen aller Akteure und des Zusammenwirkens verschiedener Faktoren, damit der Finanzsektor den ihm zugedachten Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt tatsächlich leisten kann.

¹ „Handelsblatt“ vom 1.10.2019, Artikel „Besseres Klima im Depot“, S. 36/37.