Quantitatives Fondsmanagement
Kombination von Faktor-Momentum und Faktor-Volatilität hat großes Potenzial.
In seiner aktuellen Untersuchung stellt Prof. Dr. Josef Zechner, wissenschaftlicher Leiter des IQAM Research Centers fest, dass es beim Einsatz von Faktor Investing auch auf das richtige Timing ankommt.
November 2022
Seit dem Beginn der „modernen Portfoliotheorie“ in den 60er Jahren mit Markowitz und Sharpe wurden sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis des Portfoliomanagements große Fortschritte erzielt. Die wohl wichtigste Weiterentwicklung kann unter dem breiten Begriff „Faktor Investing“ zusammengefasst werden. Das zentrale Ergebnis: Die zu erwartenden Portfoliorenditen hängen nicht nur vom Marktbeta ab, wie es das Capital Asset Pricing Model (CAPM) impliziert, sondern von einer Reihe von Faktorbetas bzw. Wertpapiercharakteristika. Solche Wertpapiercharakteristika inkludieren die Rendite, welche die Aktie in den vergangenen Monaten erzielt hat (Momentum), bestimmte Profitabilitäts- und Resilienzkennzahlen des Unternehmens (Quality) und ihr Bewertungsniveau (Value).
Während die langfristigen Zusammenhänge zwischen Renditen und diesen Wertpapiercharakteristika gut dokumentiert sind, konzentriert sich die aktuelle Forschung auf die Frage, inwieweit diese Zusammenhänge zeitvariierend sind, also ob manche Faktorprämien in bestimmten Markt- bzw. Konjunkturphasen höher oder niedriger sind. Es gibt viele Hinweise dafür, dass das der Fall ist.
Makrovariable als Timing-Signale?
Aus ökonomischer Sicht ist es naheliegend zu vermuten, dass Faktorprämien mit Makrovariablen zusammenhängen. In der Tat wurde dokumentiert, dass beispielsweise die Faktoren Momentum und Value in makroökonomischen Erholungs- und Expansionsphasen ertragsstärker sind, während das für den Faktor Quality eher in Abschwungphasen zutrifft.
Um diese Zusammenhänge für das Portfoliomanagement profitabel nutzen zu können, müsste man allerdings den Konjunkturverlauf prognostizieren. Das heißt, man müsste die Dynamik des Konjunkturzyklus antizipieren und prognostizieren, wann eine Erholungsphase in eine Rezession umschlagen wird bzw. wann die Wirtschaft aus einer Rezession herauskommen wird. Diese Prognosen werden dadurch erschwert, dass Makrodaten meist nur mit Verzögerungen verfügbar sind. Sie werden meist erst am Ende des jeweiligen Quartals veröffentlicht, für das sie berechnet werden. Dies kann vor allem dann zum Problem werden, wenn der Konjunkturzyklus von Katastrophen getrieben ist, wie es derzeit der Fall ist. Dann kommt es zu sehr heftigen und raschen makroökonomischen Auswirkungen, die aber erst mit einiger Zeitverzögerung in den Daten beobachtet werden können. In der Forschung wurde auf Basis langer Zeitreihen untersucht, ob es Zusammenhänge gibt zwischen Makrovariablen wie der Dynamik des BIP-Wachstums, der Veränderung der Inflation oder der Veränderung der realen Zinssätze und zukünftigen Faktorerträgen. Hierbei zeigt sich generell, dass zwar Wachstumsmomentum und Konjunkturzyklusvariable tatsächlich ein Timing-Alpha generieren, dass diese Zusammenhänge jedoch Out-of-Sample statistisch nicht robust sind.
Faktor Timing-Signale in Theorie und Praxis.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Arbeiten, die andere Timing-Signale untersuchen, welche nicht die vorhin erwähnten Nachteile haben. Die Literatur zum Thema Faktor Investing hat also nicht nur einen „Faktor Zoo“, mit einer Vielzahl von Faktoren hervorgebracht, sondern mittlerweile auch einen „Faktor Timing-Zoo“, also eine Vielzahl an möglichen Signalen, die für eine Dynamisierung des Faktor Investing verwendet werden können. In einer aktuellen Untersuchung erhebt das Research Center der Deka-Tochter IQAM Invest zunächst, welche Faktor Timing-Signale in der Forschung untersucht wurden und teilt diese anschließend in sechs Kategorien ein: Momentum, Volatilität, Bewertungsspanne, Charakteristikspanne, Reversal und Issuer-purchaser Spread, die in Folge kurz erklärt werden.
Momentum
Unterschiedliche Studien haben untersucht, inwieweit vergangene Faktorrenditen ein positives Timing-Signal darstellen. Hierbei wurden unterschiedliche historische Zeitfenster für die Berechnung der vergangenen Faktorrenditen herangezogen, die dann häufig mit der Volatilität der Renditen skaliert werden. Je nach verwendetem Zeitfenster und Skalierung ergeben sich daher unterschiedliche Momentum Timing-Signale.
Volatilität
Mehrere Autoren finden, dass die Volatilität vergangener Faktorrenditen mit der zukünftigen Ertrags-Risikorelation eines Faktors zusammenhängt. Zusätzlich wurden auch optionsimplizite, also zukunftsgerichtete Markt-Volatilitätsindex und Markt-Skew Informationen als Timing-Signale untersucht.
Bewertungsspanne
Faktorstrategien basieren immer auf einer Übergewichtung bestimmter Aktien und Untergewichtung anderer. Die Spanne zwischen den Bewertungsniveaus (z. B. gemessen über Buch-zu-Marktwertverhältnis) der übergewichteten und jener der untergewichteten Aktien schwankt im Zeitablauf. Sind die übergewichteten Aktien relativ zu den untergewichteten günstig bewertet, so kann dies als positives Timing-Signal für diesen Faktor interpretiert werden.
Charakteristikspanne
Ebenso schwankt die Spanne zwischen den Ausprägungen eines Charakteristikums der über- und untergewichteten Aktien. Betrachten wir z. B. eine Qualitätsstrategie, so wird in manchen Marktphasen der Unterschied zwischen den Profitabilitätsausprägungen der übergewichteten Aktien und jenen der untergewichteten Aktien eher gering sein. In anderen Marktphasen wird dieser Unterschied groß sein, was als positives Timing-Signal interpretiert werden kann.
Reversal
Während vieles darauf hindeutet, dass hohe vergangene Renditen über relativ kurze Horizonte von bis zu einem Jahr auf hohe zukünftige Renditen schließen lassen, ist das Gegenteil für historische Renditen über lange vergangene Zeitfenster (fünf bis zehn Jahre) der Fall. In diesem Fall spricht man von „Reversal“, da hohe vergangene Renditen über so lange, historische Zeitfenster mit eher niedrigeren zukünftigen Ertragschancen zusammenhängen.
Issuer-purchaser Spread
Es ist gut dokumentiert, dass immer dann, wenn Unternehmen mit bestimmten Charakteristika dazu tendieren Aktien zu emittieren, Unternehmen mit ähnlichen Charakteristika in den darauffolgenden Perioden eher schlecht performen. Genau das Gegenteil ist bei Aktienrückkäufen der Fall. Wenn also z. B. Value-Firmen eher eigene Aktien zurückkaufen und Wachstumsfirmen eher Aktien emittieren, so sind die Renditen von Value-Unternehmen in den Folgeperioden eher überdurchschnittlich im Vergleich zu Wachstumsaktien. Daher sind die Emissions- bzw. Rückkaufentscheidungen von Unternehmen in den verschiedenen Faktorportfolios potenzielle Faktor Timing-Signale.
Faktor Timing bereits im Einsatz.
Die Faktor Timing-Signale Faktor-Momentum und Faktor-Volatilität kommen bei IQAM Invest bereits real zum Einsatz. Im Scoringansatz der Quality Equity Mandate werden zunächst vom Aktienuniversum bestimmte Unternehmen über Filter (Nichterfüllung von Umweltstandards, zu hohe Verschuldung) ausgeschieden. Danach werden alle verbleibenden Titel nach den Faktorcharakteristika Quality, Value und Sentiment einem Scoring unterzogen. Die Gewichtung dieser drei Faktoren bei der Berechnung des Gesamtscores erfolgt dynamisch über das vergangene Momentum des jeweiligen Faktors sowie über die Volatilität der vergangenen Faktorrenditen.
Den vollständigen Artikel zu dem Thema finden Sie hier:
Quelle: IQAM Invest
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