KOMPETENZ
„Low-Risk Strategien werden an Attraktivität weiter zulegen“
Zum Jahresbeginn hat die Deka mit der Übernahme der österreichischen Fondsgesellschaft IQAM Invest ihre Kompetenz im Bereich quantitativer Produktlösungen ausgebaut. Für Investoren bedeutet dies einen noch früheren Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen mehrerer Universitäten. Aktuell fließen die Resultate einer Studie des wissenschaftlichen Leiters, Professor Josef Zechner, in den Investmentprozess ein. Zusammen mit Dr. Ulrich Neugebauer, Sprecher der Geschäftsführung der Deka Investment, erläutert er den Stand der Forschung und wie dieser Einfluss auf das quantitative Fondsmanagement der Deka hat.
Juli 2021
Herr Prof. Zechner, in Ihrer Studie setzen Sie sich mit der sogenannten „Low-Risk-Anomalie“ auseinander. Würden Sie bitte kurz den Hintergrund dieser Anomalie erklären?
Prof. Zechner: Die Schlüsselerkenntnis bei der Bewertung von Wertpapieren ist, dass Investoren in effizienten Märkten nur dann höhere Renditen verdienen, wenn ihre Portfolios höheren systematischen Risiken ausgesetzt sind. Ein Beispiel wäre ein Wertpapier oder Portfolio, das in einer Rezession besonders schlechte Erträge liefert. Da diese Eigenschaft aus Investorensicht unerwünscht ist, sollten solche Portfolios niedrig bewertet sein und daher über längere Zeit höhere Renditen erwirtschaften, sozusagen als Kompensation. Nun gibt es jedoch eine wachsende Anzahl von empirischen Studien, die das genaue Gegenteil finden. Also, Portfolios mit niedrigem Risiko weisen höhere Erträge auf als solche mit höherem Risiko! Diese empirischen Befunde werden als „Low-Risk-Anomalien“ bezeichnet.
Anders als in früheren Erklärungsversuchen liefert Ihre Studie eine Erklärung dafür, warum Anleger in Low-Risk-Strategien für gewisse Risiken kompensiert werden und der Begriff Anomalie so eigentlich nicht haltbar ist. Was ist Ihre Erklärung?
Prof. Zechner: Die bisherigen Arbeiten gingen meist von einer klassischen, engen Risikodefinition aus. Nach dieser Definition messen Investoren Risiko ausschließlich über die Standardabweichung oder die Varianz der Renditeverteilungen. Im Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist das relevante Risiko zum Beispiel über den Beitrag eines Portfolios zur Varianz des Marktportfolios gegeben, der durch den Betafaktor quantifiziert wird. Ein Portfolio, das sich stark mit dem gesamten Markt bewegt, also eine hohe Kovarianz zum Markt und daher ein hohes Beta hat, trägt mehr zur Standardabweichung des gesamten Markts bei, und sollte laut CAPM höhere Renditen verdienen.
In einer Welt, in der nicht alle Renditen normalverteilt sind, greift diese Risikodefinition jedoch zu kurz. Wertpapiere tragen nämlich auch unterschiedlich zu anderen Verteilungseigenschaften des Marktportfolios bei, wie zum Beispiel der Schiefe, also, grob gesprochen, zur Asymmetrie der Verteilung der Marktrenditen um deren Durchschnittswert.
In unserer Studie zeigen wir, dass enge Risikodefinitionen, wie sie zum Beispiel dem CAPM zugrunde liegen, das tatsächliche Risiko von Low-Risk-Strategien systematisch falsch einschätzen. Das heißt, klassische Asset Pricing Modelle, wie das CAPM, unterschätzen den Beitrag der Low-Risk Strategien zur Linksschiefe des Marktes. Bei Anwendung unserer breiteren Definition von Risiko sind die erzielten Risikoprämien von Low-Risk Strategien daher nicht wirklich „Anomalien“, sondern eine faire Kompensation für Investoren.
In einem weiteren Schritt untersuchen Sie, wie die in Optionspreisen gehandelte, implizite Erwartung der Verteilungsschiefe im Zusammenhang mit den nachfolgenden Ergebnissen einer Low-RiskStrategie steht. Was haben Sie entdeckt?
Prof. Zechner: Optionspreise haben die attraktive Eigenschaft, dass man aus ihnen Informationen über die von Marktteilnehmern erwartete Varianz und Schiefe der Verteilungen ermitteln kann. Unsere Studie zeigt, dass die in Optionspreisen implizite Verteilungsschiefe auch systematisch mit der ex-post realisierten Ko-Schiefe (Co-Skewness) zusammenhängt.
Weiters finden wir, dass ein von uns entwickelter Skew-Faktor die Überrenditen von Low-Risk Strategien sehr gut erklärt. Es ist interessant zu sehen, dass das für alle von uns untersuchten gängigen Low-Risk Strategien der Fall ist. Dies sind also nicht nur Strategien, die Aktien mit niedrigen CAPM-Betas übergewichten und solche mit hohen Betas untergewichten, sondern auch für Strategien, die auf der gesamten Volatilität oder der idiosynkratischen Volatilität oder dem Konkursrisiko der Unternehmen basieren.
Wie bewerten Sie daher Low-Risk-Strategien als Anlageklasse im Lichte Ihrer Ergebnisse?
Prof. Zechner: Unsere Studie zeigt das Potential zur Weiterentwicklung von Low-Risk Strategien. Wir finden, dass diese Strategien als eigene Anlageklasse an Attraktivität noch weiter zulegen werden und für Investoren und Asset Manager viel Potential bieten. Umso mehr in Zeiten, in denen hohe Bewertungsniveaus und Inflationsunsicherheiten für erhöhtes Rückschlagsrisiko in den Aktienmärkten sorgen.
Herr Dr. Neugebauer, wie fließen die vorgestellten Erkenntnisse von Prof. Zechner in den Arbeitsalltag des quantitativen Fondsmanagements der Deka ein?
Dr. Neugebauer: Wir haben seit langem unser Forschungsinstitut und seit diesem Jahr mit dem IQAM Research Center die zentralen Bausteine, um über hervorragendes Research Erkenntnisse zu gewinnen und damit unsere Investmentprozesse zu verbessern. Ziel ist es, unseren Kunden immer bessere Produkte anbieten zu können. Genau dies erleben wir auch in diesem Fall. Das akademische Research wie die hier besprochene Studie hilft uns die Märkte, Faktoren und deren Ursachen und Zusammenhänge besser zu verstehen.
Faktorbasierte Strategien haben in den letzten Jahren ja einen regelrechten Boom erlebt. Doch viele Angebote beschränken sich auf eher naive, sogenannte Smart-Beta-Strategien. Studien wie auch von Prof. Zechner zeigen, dass die Welt deutlich komplexer ist und man dieser Komplexität mit aktiven Strategien begegnen muss, so wie wir es aktuell auch umsetzen.
Werden also Faktorstrategien perspektivisch einen größeren Anteil in Portfolien der Anleger einnehmen?
Dr. Neugebauer: Wir denken ja. Die Charakteristiken sind schlicht zu interessant im Portfoliokontext. Gerade wenn Anleger individuell zugeschnittene Anlagestrategien benötigen. Schauen wir uns doch die hier besprochene LowRisk-Strategie an. Ihr Ziel ist es am Aktienmarkt partizipieren zu können, aber dabei die absoluten Risiken zu kontrollieren. Für andere Bedarfe mit höheren Renditeerwartungen und entsprechendem Risikobudget könnten hingegen Value-Strategien aktuell eine spannende Gelegenheit sein. Wichtig ist es aus unserer Sicht, niemals nur auf eine Ausprägung wie Buchwerte, Dividenden oder Volatilität zu setzen. Die Komplexität ist hoch und ein klarer Mehrwert liegt in dem Verständnis der Dynamik des Zusammenspiels und daher liefern Multifaktoransätze deutlich bessere und stabilere Ergebnisse.
Das vergangene Jahr hat zu ordentlichen Marktturbulenzen geführt. Inwiefern können wissenschaftliche Analysen dabei helfen Anlagestrategien gegen Verluste zu schützen?
Dr. Neugebauer: Bei der Kapitalanlage geht es immer um das Abwägen von Risiken und Chancen. Es gibt nicht die eine Strategie, welche immer Gewinne erbringen wird. Tiefe und engagierte wissenschaftliche Forschung hilft uns aber dabei durch den Moment hindurch zu schauen und einen besseren Blick auf das Ganze zu bekommen. Dadurch können wir das Pendel immer weiter zugunsten der Chancen verschieben. Das ergibt langfristig höhere Renditeerwartungen bei geringeren Verlustrisiken. Das ist exakt unser Auftrag und strategisches Ziel.
Dr. Ulrich Neugebauer
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Josef Zechner
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