KOMPETENZ
„Ohne den Süden geht es nicht“
Sarah Lütgert und Anna Aparkina managen bei der Deka den Deka-Nachhaltigkeit Impact Renten. Im Interview erläutern die beiden Expertinnen, welche große Bedeutung Emerging Markets für das Impact Investing weltweit haben, und wie sie diese Bedeutung in diesem Fonds abbilden.
September 2021
Frau Lütgert, Frau Aparkina, was unterscheidet Impact Investing über Anleihen grundsätzlich vom Impact Investing über Aktien?
Sarah Lütgert: Wir haben einen sehr direkten Einfluss auf die Refinanzierungskosten von Emittenten. Dafür stehen uns auf der Rentenseite sowohl Unternehmen als auch Staaten und supranationale Einrichtungen wie zum Beispiel Förderbanken zur Verfügung. Damit zielen wir auf die gesamte Breite der 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen ab. Gerade die sozialen Aspekte davon lassen sich nur über Staaten und Förderbanken abdecken.
Was sollten Bond-Investoren beim Impact Investing beachten? Worauf kommt es an?
Sarah Lütgert: Es kommt entscheidend auf eine ganzheitliche Betrachtung bei der Auswahl an. So ist ein Green Bond nicht gleich Green Bond. Eine solche Anleihe kann zum Beispiel auch von einem Autohersteller begeben werden, der aber hauptsächlich größere PKWs fertigt, die generell viel Energie im Unterhalt verbrauchen. Solche Bonds finden Sie bei uns aktuell nicht im Portfolio. Was wir aber sehr wohl im Portfolio haben, ist der Green Bond eines Unternehmens, das die weitere Elektrifizierung des öffentlichen Personennahverkehrs in London jenseits der U-Bahn fördert. Wir suchen beim Impact Investing also immer nach dem großen Hebel. Und den finden wir in dem genannten Beispiel natürlich bei dem zweiten Unternehmen.
Das gleiche Prinzip – also die Suche nach dem größtmöglichen Hebel – wenden wir auch bei Staaten an. So bedeutet die Errichtung von Schulen in Ländern mit noch vergleichsweise niedrigem Alphabetisierungsgrad einen regelrechten Quantensprung. Ein Bond, der der Finanzierung solcher Projekte dient, ist damit ausgesprochen interessant, ebenso zum Beispiel Anleihen, welche dem Aufbau einer Basis-Gesundheitsinfrastruktur in Form von Krankenhäusern dienen.
Wir sind sehr kritisch bei der Auswahl und diskutieren unsere Entscheidungen durchaus kontrovers. Im Zweifelsfall schließen wir eine Investition aus, zum Beispiel, wenn der Emittent eine schlechte Korruptionsrate hat, eine Diktatur ist oder Umweltstandards zu wenig achtet. Auch deutliche Verschlechterungen in diesen Bereichen, wie in einzelnen osteuropäischen Ländern zu beobachten, führen zum Ausschluss.
Welche Rolle spielen Emerging Markets für erfolgreiches Impact Investing?
Der Fonds investiert in Firmen und Staaten auf allen Kontinenten. Ohne den Süden geht es dabei im globalen Maßstab nicht. Nur wenn insbesondere die Entwicklungsländer in Afrika, Süd- und Mittelamerika und Asien das notwendige Kapital zur Verfügung gestellt bekommen, können sie entscheidende Fortschritte bei Bildung, Umwelt und Gesellschaft machen – und von diesem Impact profitiert letztlich natürlich die gesamte Welt. Es ist im Grunde überlebenswichtig, Kapital in solchen Ländern zu investieren. Denn die Zeit drängt: Ohne entsprechende Kapitalzufuhr wird der CO2-Pro-Kopf-Ausstoß in den Emerging Markets schon bald den Wert in den Industriestaaten überschreiten.
Welche Rolle spielen im Deka Nachhaltigkeit Impact Renten die Emerging Markets?
Anna Aparkina: Momentan sind wir zu rund 30 Prozent in Emerging Markets allokiert. Hinzu kommen rund zehn Prozent in supranationalen Institutionen, die Vorhaben in Emerging Markets finanzieren. Damit spielen Emerging Markets in unserem Fonds eine überproportionale Rolle gemessen an den Volumina im Gesamtmarkt. Denn dort ist das Emissionsvolumen der Emerging Markets deutlich kleiner als das der Delevoped Markets und reicht bei weitem nicht an 30 Prozent heran. Wir erwarten, dass dieser Anteil wachsen wird, nicht zuletzt dank einer Zunahme von Corporate Bonds aus den Emerging Markets. Mit unserer Portfolio-Allokation nehmen wir also gewissermaßen künftige Entwicklungen schon vorweg.
Wie ist beim Fonds die Vorgehensweise beim Auswahlprozess? Welche Rolle spielen Ratings?
Sarah Lütgert: Wir schließen zunächst alle Unternehmen mit kontroversen Geschäftsmodellen aus, zum Beispiel Waffenproduzenten sowie sämtliche Unternehmen, die nicht die Kriterien des UN Global Compact erfüllen. Aus den verbliebenen Unternehmen wählen wir anschließend diejenigen aus, die konkret Lösungen anbieten und bevorzugen dabei Bonds von etablierten Emittenten. Denn solche Bonds garantieren uns Messbarkeit. Hier gibt es klare, auf jedes einzelne Jahr heruntergebrochene Ziele, deren Erreichung regelmäßig überprüfbar ist.
Bei Staaten schließen wir Länder mit deutlichen Demokratiedefiziten ebenso aus, wie Staaten mit sehr geringen klimapolitischen Standards oder hoher Korruption. Auch wenn wir hier über Impact Investing sprechen, muss ein bestimmtes Niveau von Anfang an erreicht sein. Andernfalls fehlt eine Vertrauensbasis dafür, dass die betreffende Regierung ihre propagierten Ziele tatsächlich auch erreichen möchte. Allerdings darf man an Emerging Markets nicht die gleichen Standards anlegen wie an Developed Markets.
Anhand welcher Kriterien messen Sie, ob sich die Emittenten der Titel in Ihrem Portfolio in Richtung Nachhaltigkeit bewegen? Wie überwachen Sie den Prozess bzw. die Verwendung der investierten Gelder?
Sarah Lütgert: Für Staaten analysieren wir ihre Fortschritte bei einer ganzen Reihe von KPIs wie z.B. dem Human Development Index, dem Corruption Perception Index sowie bei den Berichten „Freedom of the world“ und „Freedom of the press“, herausgegeben von der Nichtregierungsorganisation Freedom House. Auch KPIs mit Blick auf die Umweltentwicklung spielen eine Rolle. Wenn sich Staaten hier über Jahre hinweg positiv entwickelt haben, können wir sie erwerben. Ob sie tatsächlich weiterhin Fortschritte machen, überprüfen wir regelmäßig. Gerade bei Emerging Markets sollte man hier allerdings eine längerfristige Perspektive einnehmen. Hier kann es zwischendurch immer wieder einmal zu Rücksetzern kommen. Für uns sind aber dauerhafte Verbesserungen entscheidend.
Anna Aparkina: Mit dem gleichen Stellenwert betrachten wir auch die ökonomische beziehungsweise die Performance-Komponente anhand von Risk/Return-Profilen und entscheiden auf dieser Grundlage, ob eine Anleihe für unsere Kunden interessant ist. Wenn wir vom gesellschaftlichen oder ökologischen Nutzen einer Anleihe überzeugt sind, aber die Risiko-Rendite-Relation nicht passt, nehmen wir von einem Investment Abstand. Umgekehrt gilt das natürlich genauso.
Es geht beim Impact Investing allerdings nicht ausschließlich darum, formale Kriterien zu erfüllen und sich damit zufriedenzugeben, dass eine Anleihe zum Beispiel die Anforderungen der Green Bond Principles erfüllt. Für eine Aufnahme in unser Portfolio genügt das nicht. Bei uns geht es darum, ob der Emittent und seine Anleihe tatsächlich einen „Impact“ mit einem möglichst großen Hebel erzielen. Es geht darum, eine gesamthafte Verbesserung zu erzielen. Gerade in Emerging Markets, in denen formale Kriterien vielleicht noch nicht immer so eingehalten werden können, ist eine solche ganzheitliche Betrachtung ausgesprochen zielführend. Dafür benötigt man als Asset Manager allerdings eine profunde Kenntnis der Märkte und der Emittenten und muss in der Lage sein, Zusammenhänge zu erkennen und Informationen kompetent zu analysieren.
Welche Sanktionsmöglichkeiten haben Sie, wenn die Fortschritte nicht erzielt werden?
Sarah Lütgert: Wenn sich bei einem Titel eine Entwicklung verschlechtert, entfernen wir diesen aus dem Portfolio. Das tun wir selbstverständlich erst nach einer gewissenhaften Prüfung und Diskussion mit den Teamkollegen, die für die jeweilige Region zuständig sind. Wir können hierbei auch auf unsere Kollegen aus der volkswirtschaftlichen Abteilung zurückgreifen, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Auch externe Analysten stehen uns selbstverständlich zur Verfügung.
Anna Aparkina: Ich möchte gerne ein wichtiges Kriterium ergänzen, das wir heranziehen, um zu prüfen, ob ein Titel in unserem Portfolio verbleiben darf. Wir prüfen, ob der jeweilige Emittent regelmäßig einen Impact-Report veröffentlicht. So können wir beurteilen, ob er seine Versprechungen einhält und das Kapital wie zugesagt für nachhaltige Zwecke verwendet – und welche messbaren Erfolge das mit sich bringt. Wenn das Geld aus einer grünen Anleihe zum Beispiel für den Bau von Windkraftanlagen verwendet wird, ist es natürlich wichtig zu wissen, wie viel CO2 dadurch eingespart wurde. Ein anderes Beispiel ist der Bau eines Krankenhauses mit dem zur Verfügung gestellten Kapital. Da interessieren dann Zahlen wie beispielweise die neu geschaffenen Krankenhausbetten und ähnliches. Es wäre für uns ein klares Alarmsignal, wenn nach mehr als einem Jahr ein solcher Report nicht existieren würde.
Was unternehmen Sie für den Fall, dass ein solcher Report ausbleibt?
Sarah Lütgert: Dann nehmen wir natürlich umgehend Kontakt auf und fragen nach den Gründen. Wenn wir dann keine überzeugenden Argumente genannt bekommen, nehmen wir den Titel aus dem Portfolio. Ein solcher Fall ist aber bei den Titeln in unserem Fonds bisher noch nicht vorgekommen. Denn wir haben ja größtenteils gelabelte Bonds von etablierten Emittenten im Portfolio, deren Rating auch eine unabhängige und seriöse Second Party Opinion zugrunde liegt. Die allermeisten Emittenten agieren transparent und dokumentieren ihre Nachhaltigkeitsbemühungen detailliert. Das ist auch in ihrem eigenen Interesse, denn andernfalls könnten sie eine Anleihe in der Zukunft kaum noch am Markt platzieren.
Welche Einflussmöglichkeiten haben Sie konkret vor allem bei Staaten?
Sarah Lütgert: Im Normalfall treffen wir Emittenten regelmäßig bei Roadshows für ihre Anleihen, und werden dies nach dem Ende der Pandemie hoffentlich auch bald wieder tun können. Hier haben wir die Möglichkeit, in persönlichen Gesprächen viele Fragen zu klären und unseren Einfluss geltend zu machen. Die Unterschiede auch bei Emerging Markets sind zwischen den Emittenten teilweise stark ausgeprägt. So agieren Staaten wie Indonesien und Mexiko immer ausgesprochen transparent. Solche Termine sind auch eine gut geeignete Gelegenheit für unsere Kollegen aus dem Nachhaltigkeitsteam, um sich persönlich ein Bild zu machen und dabei auch kritische Fragen zu stellen.
Anna Aparkina: Über den Kauf von „gelabelten Bonds“, die vorab von einer unabhängigen Agentur auf das jeweilige Vorhaben überprüft wurden, haben wir sehr gute Einflussmöglichkeiten. Solche Green, Social und Sustainable Bonds sind detailliert und transparent auf die Finanzierung konkreter Nachhaltigkeitsprojekte ausgerichtet. Und spezielle ESG-Ratingagenturen können solche Bonds zielgenau bewerten. Gerade Staaten, die es wirklich ernst meinen mit grünen oder sozialen Anleihen, würden ihre eigenen Ambitionen konterkarieren, wenn sie intransparent handeln oder nicht alles für die Erreichung der gesteckten Ziele tun würden. Zudem läge für sie ein großes Reputationsrisiko darin.
Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Abschneiden des Deka Nachhaltigkeit Impact Renten?
Sarah Lütgert: Es gibt nicht allzu viele andere Anbieter, die Impact Investing in dem Rahmen ermöglichen, wie wir das tun, also in Form eines global aufgestellten Fonds mit flexiblen Stellschrauben. Wir sind benchmarkfrei und dürfen in allen Währungen investieren, frei über alle Renten-Assetklassen und Ratings. Zugleich können wir aber auf unterschiedlichste Bedarfe institutioneller Investoren eingehen und diese Bedarfe abbilden, zum Beispiel, wenn die Anleger keinerlei High Yield-Bonds oder Fremdwährungsanleihen im Bestand haben dürfen.
Diese Flexibilität in vielen Bereichen macht unseren Fonds ausgesprochen anpassungsfähig an unterschiedlichste, auch kurzfristige Entwicklungen. Und eine solche Anpassungsfähigkeit ist gerade heutzutage zwingend notwendig.
Sarah Lütgert
Anna Aparkina
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