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JAHRESAUSBLICK

Biden kommt, Merkel geht – Das bewegt 2021.

Das neue Jahr fängt mit großen Veränderungen an: in der Politik, in der Wirtschaft und in Sachen Coronakrise. 2021 hält so noch reichlich Unsicherheiten bereit – gibt aber auch Anlass für gesunden Optimismus.

Dezember 2020

Für rund ein Fünftel der Menschen ist schon jetzt ganz klar, was sie vom Jahr 2021 zu erwarten haben: Die Bullen stürmen voran. Und zwar genau ab Freitag, dem 12. Februar. Mit Feuerwerk und Familienfeiern beginnt an diesem Tag in China das Jahr des Büffels. Und dessen kraftstrotzender Bulle ist für 1,4 Milliarden Landsleute ein Symbol für unbeirrbaren Fortschritt durch harte Arbeit. So gesehen passt das Sternzeichen auch außerhalb des Reichs der Mitte zum Aufbruch in das neue Jahr. Denn die Bullen haben Konjunktur. Für den Deutschen Leitindex Dax erwartet Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank, 2021 einen Rekord-Punktestand: „Wir rechnen bis zum Jahresende mit einem Anstieg auf 15.000 Punkte.“ Und auch an anderen Börsenplätzen sind die Aussichten grundsätzlich positiv – vor allem für Anlageklassen, die an Realwerte und deren Entwicklung gebunden sind.

China hat als erstes Land bereits wieder seine Wirtschaftsleistung aus der Zeit vor Corona erreicht. Deutschland dürfte im Dezember 2021 wieder so weit sein. Die Weltwirtschaft insgesamt sollte schon gegen Ende 2020 das BIP-Niveau von Dezember 2019 erreichen.

Indexierter Verlauf des Welt-Bruttoinlandprodukts (Dezember 2019=100). Platzierung der Länderflaggen an dem Zeitpunkt des voraussichtlichen Erreichens des Vorkrisen-Bruttoinlandsprodukt-Niveaus.

Natürlich gibt es auch politische Unwägbarkeiten. Zum einen ist da der Brexit. Die deutsche Wirtschaft spürt bereits die Folgen. So sanken die deutschen Exporte auf die Insel von 89 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 79 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Vor vier Jahren war das Vereinigte Königreich der drittwichtigste Handelspartner, heute liegt es nur noch auf Platz fünf.

Eine zweite für Deutschland wichtige Änderung ist hausgemacht: Am 26. September 2021 wird ein neuer Bundestag gewählt. Wer im Spätherbst auf die scheidende Angela Merkel auf dem Kanzlerposten nachfolgt, bleibt länger ungewiss. Derzeit ist dabei noch am wahrscheinlichsten, dass wieder die Union den Kanzler stellen wird. Doch ob dieser Merz, Röttgen oder Laschet heißen wird – oder ob es mit Markus Söder als CSU-Kanzler ein Novum in der Bundespolitik gibt –, die Entscheidung fällt erst in den kommenden Monaten. Welchen Kurs die deutsche Wirtschaft unter der neuen Regierung letztlich einschlägt, wird dann für 2022 relevant.

Jetzt steht erst einmal 2021 an. Ein Jahr, das zu mehr Optimismus Anlass gibt als das zu Ende gehende. Vor allem zwei Ereignisse sind echte Gamechanger im Vergleich zum chinesischen „Jahr der Ratte“, das nun endet: Die Ära Trump ist vorbei – und für das Coronavirus gilt nach dem harten Shutdown bis Januar hoffentlich bald Ähnliches. Damit sind für Wirtschaft und Handel rund um die Welt zwei wesentliche Unsicherheitsfaktoren ausgeschaltet. Das eröffnet Raum für einen konjunkturellen Nachholbedarf – und entsprechende Kursdynamik.

In China hat der Aufschwung schon begonnen.

Anleger von Moderna, Astra-Zeneca, Pfizer oder Biontech haben die Euphorie bereits in den Börsenkursen ablesen können. Diese Pharmafirmen sind besonders schnell gewesen bei der Entwicklung von Coronaimpfstoffen. In Großbritannien und den USA haben die ersten Impfungen gegen Covid-19 schon begonnen. Hunderte Millionen Immunisierungen werden in der ganzen Welt bereits im ersten Quartal folgen. Die Wirtschaft kann so ungehindert auf Wachstumskurs gehen. Die US-Wirtschaft wird nach der Deka-Prognose etwa Mitte 2021 wieder auf Vorkrisenniveau liegen, Deutschland im ersten Quartal 2022, Frankreich, Italien und Spanien folgen etwas später.

Rückenwind für das exportstarke Deutschland gibt das ökonomisch längst genesene China. Nach dem totalen Lockdown im letzten Februar wird dem Reich der Mitte das Kunststück gelingen, schon 2020 beim Wirtschaftswachstum um rund 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zuzulegen. „China ist das einzige Land unter den großen Ökonomien, das auch in diesem Jahr gewachsen ist“, resümiert Laurence Boone, Chefvolkswirtin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Diesem Aufbruch nach dem Ausbruch ist es vor allem zu verdanken, dass auch im Rest der Welt zumindest in der Industrie die Nachfrage wieder angezogen hat. Die Börsenkurse haben diese Entwicklung bereits als klassischer Frühindikator vorgezeichnet. 2021 dürften sich die Aussichten weiter verbessern, denn mit dem Sieg über Corona werden auch einige der derzeit noch schwer gebeutelten Branchen ihr Comeback schaffen können. Beispiel Luftfahrt: Ein Passagierschwund um fast zwei Drittel hat den Umsatz der Airlines laut Fluglinien-Verband IATA um mehr als 400 Milliarden Dollar auf 270 Milliarden Euro abstürzen lassen. Die Verluste summieren sich 2020 auf geschätzte 100 Milliarden Euro. Selbst Marktführer wie die Lufthansa mussten unter den staatlichen Schutzschirm – und zudem 29.000 Stellen abbauen. Ähnlich Katastrophales gilt auch jetzt noch für die Touristik-, die Gastronomie- oder die Veranstaltungsbranche.

Doch mit den Impfstoffen naht auch dort voraussichtlich die Wende – und in vielen Bereichen massive Nachfrageschübe. Dazu kommt die Anziehungskraft globaler Großereignisse wie Olympia in Tokio, die Fußball-EM und Tausende weitere Festivals, Messen oder Konferenzen; sie alle sind 2020 verschoben worden. Mitte 2021 stehen die Chancen besser, dass Millionen Menschen zu den Veranstaltungen reisen werden. Davon können dann auch zyklische Werte wie etwa Ölkonzern Shell, Autobauer Volkswagen oder Chemieriese Bayer profitieren.

Diese Wiederbelebung einer mobileren Weltwirtschaft verstärke sich gegenseitig, so die Deka-Experten. Sie rechnen deshalb für 2021 mit einer Wachstumsrate Chinas von sagenhaften 9,1 Prozent und im Euroraum von 4,9 Prozent – genauso wie in den USA. Starke Aufholeffekte – die aber meist noch nicht die Spitzenstände vor der Pandemie erreichen. In den USA hat der kommende US-Präsident Joe Biden angekündigt, dass er die Coronaschutzmaßnahmen in seinem Land verschärfen werde. Aber zugleich soll ein großes Konjunkturpaket die Wirtschaft stützen und ankurbeln. Zudem gilt die designierte Finanzministerin Janet Yellen seit den Tagen ihres früheren Jobs als Notenbankchefin der USA als Anhängerin finanzpolitischer Stützungshilfen.

China wird 2021 der Wachstumsmotor der Welt sein. Die Deka rechnet damit, dass das Land sein Bruttoinlandsprodukt um mehr als neun Prozent steigern wird. Zwar ist der Handelskonflikt mit den USA noch nicht vorbei, mit dem im November geschlossenen Freihandelsabkommen mit 14 Ländern Asiens hat China seine wirtschaftliche Bedeutung aber weiter gestärkt.

Reales BIP-Wachstum Chinas, Jahresveränderungsrate in Prozent.

Biden wird internationale Akzente setzen.

„Wie die Fiskalpolitik wird auch die Geldpolitik ihre Impulse eher später als früher zurückfahren, um die erlangten Stabilisierungserfolge nicht zu gefährden“, analysiert Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Dieser Trend dürfte weltweit 2021 weiter gelten – und noch auf Jahre zu Zinsen um den Nullpunkt führen: ein Konjunkturpaket für Realwerte wie Aktien, Unternehmensanleihen oder Immobilien.

Joe Biden wird zudem den handelspolitischen Konfrontationskurs seines Vorgängers Trump merklich abmildern. Gegenüber Europa wird der neue US-Präsident da in den ersten Monaten seiner Amtszeit noch mit ebenso kraftvoller wie gewohnt geräuschloser Unterstützung von Angela Merkel rechnen können. Europa und den USA liege wesentlich daran, kostspielige Handelsschranken wieder zu schleifen, sagt etwa Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission: „Wir setzen auf einen frischen Start in den Handelsbeziehungen mit den USA.“ Das dürfte zumindest die aufgezogenen Zoll-, Steuer- und Handelsschranken wieder etwas senken und einem leichteren Waren- und Dienstleistungsaustausch den Weg bahnen.

Einen Impuls hat auch der wirtschaftliche Rivale China jetzt gesetzt: Das im November geschlossene asiatische Freihandelsabkommen RCEP verbindet Staaten mit mehr als 2 Milliarden Menschen, einem Bruttoinlandsprodukt von etwa 14 Billionen Euro und rund 30 Prozent des Welthandels. „Der Abschluss des neuen asiatischen Freihandelsabkommens ist ein Problem für die neue Regierung Biden und ihre Handelsstrategie für Asien“, analysiert Ho-Fung Hung, Professor für Politische Ökonomie an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. Gegen solche Dimensionen ist der Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Wirtschaftsraum im kommenden Jahr ein global eher unbedeutendes Ereignis. Die Märkte hätten sich weitgehend auf die neue Lage eingestellt, sagen die Deka-Experten.

Kraftspritzen für die Digitalisierung.

Gegen die neue ökonomische Supermacht in Asien werden Europa und die Vereinigten Staaten verstärkt zusammenarbeiten – etwa beim 5G-Ausbau. Viele westliche Industrieländer haben etwa den Netzausrüster Huawei inzwischen beim Ausbau des superschnellen Mobilfunk-Rückgrats ausgeschlossen – ein Vorteil für Unternehmen wie Ericsson. Die Schweden haben denn auch ihren Gewinn im dritten Quartal bereits um mehr als 30 Prozent gegenüber Vorjahr gesteigert.

Zudem entfachen die Staaten der beiden Regionen im Zuge der Pandemiebekämpfung neue Dynamik bei den Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die multimilliardenschweren Konjunkturprogramme in beiden Wirtschaftsräumen starten im Jahr 2021 mit klaren Schwerpunkten beim entsprechenden Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft.

Allein in Deutschland fließen 9 Milliarden Euro in die Förderung der Wasserstoffwirtschaft sowie 5 Milliarden in Forschung und Entwicklung künstlicher Intelligenz. Solche Kraftspritzen verleihen Unternehmen, die ihre Geschäfte in der virtuellen Welt tätigen oder sie dahin verlagern, einen Zusatzschub. Auch Branchen wie die Elektromobilität erhalten Rückenwind.

Und Nachhaltigkeit dürfte nicht zuletzt auch bestimmten Bereichen der Geldanlage einen Schub bescheren – die Ausrichtung an Ökologie, gutem Management oder Menschenrechten ist jetzt stärker in der Finanzwelt verankert: Am 10. März 2021 tritt die sogenannte Offenlegungsverordnung der Europäischen Union in Kraft. Nachhaltige Anlageprodukte werden dann noch transparenter und zeigen auf, welche sozialen und ökologischen Kriterien in den Fokus rücken und damit zum Erreichen von Umwelt­zielen beitragen. Die größere Transparenz bei Finanzprodukten erhöht auch den Druck auf die Realwirtschaft. Unternehmen, die wenig berichten und im Hinblick auf Umwelt und Soziales nicht überzeugend sind, werden es zukünftig schwer haben. „Wir werden den Druck auf Unternehmen deutlich erhöhen, sich im Sinne der Nachhaltigkeit zu transformieren“, sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate ­Governance bei der Deka.

Auch das wird dazu beitragen, dass Anleger mit ihrem Verhalten den Umbau der Wirtschaft beschleunigen und mitgestalten können. Ein Megatrend, der auch im Jahr des Büffels seinen Weg nimmt, unbeirrbar und mit Kraft.

Quelle: fondsmagazin.de