Research und Märkte
Comeback der Schwellenländer.
Die Aktienbörsen vieler Emerging Markets haben im vergangenen Jahr enttäuscht. Doch für 2023 sehen die Fachleute der Deka bei einzelnen Ländern in Asien und Lateinamerika wieder Perspektiven.
Februar 2023
Auf dem Basar in Istanbul ist es bittere Routine: Jeden Tag setzen Händlerinnen und Händler die Preise einzelner Waren hoch und schreiben Schilder neu. In der Türkei steigen die Preise so rasant, dass selbst Alltagsgüter wie etwa Brot und Milchprodukte für die meisten Menschen kaum noch bezahlbar sind. Im Oktober erreichte die Inflation nach Angaben des türkischen Statistikamtes mit 85,5 Prozent den höchsten Stand seit 24 Jahren.
Die türkische Wirtschaft indes wächst, obwohl sie wegen der schwachen Lira hohe Kostenbelastungen bei Importwaren, allen voran für Energie, bewältigen muss. Für 2023 erwarten die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 110 Prozent. Die guten Konjunkturaussichten haben die Aktienkurse an der Börse in Istanbul bereits im vergangenen Jahr beflügelt: Der türkische Aktienindex BIST 100 hat sich 2022 mehr als verdreifacht.
Doch damit ist die Türkei eine Ausnahme unter den Schwellenstaaten. Im vergangenen Jahr brachten Investments in weltweit aufstrebende Wirtschaften höhere Verluste mit sich als eine Anlage in Industrieländern wie im Dax. Der umfassende MSCI Emerging Markets Index büßte 2022 fast das Doppelte ein.
Aber wann gilt eine Volkswirtschaft eigentlich als Schwellenland? „Wir orientieren uns an der Klassifikation des Indexbetreibers MSCI, der die Volkswirtschaften in Developed, Emerging und Frontier Countries unterteilt“, erläutert Martin Hrdina, Senior Fondsmanager im Emerging Markets Aktienteam bei der Deka. „Hierfür gibt es mehrere volkswirtschaftliche Indikatoren. Die wichtigsten sind die Wirtschaftsleistung und das Einkommen pro Kopf.“ Zu den relevanten Emerging Markets zählen China, Indien, Südafrika, Brasilien, Mexiko, Südkorea, Indonesien, Russland und die Türkei.
Und auch wenn es zuletzt in der Breite nicht so gut lief – für das laufende Jahr stehen die ehemals auch Tigerstaaten genannten Emerging Markets wieder in den Startlöchern. Denn die Deka-Fachleute erwarten, dass die Fed ihren Zinsanhebungszyklus im Februar 2023 beenden wird. Damit würde ein starker Belastungsfaktor für die Schwellenländer-Börsen wegfallen. Im vergangenen Jahr hat die Straffung der Geldpolitik in den USA Schwellenländer-Anleihen kontinuierlich Kursverluste beschert – sowohl bei Bonds in Hartwährung als auch bei Emissionen in lokaler Währung.
Im Vergleich zu früher haben die Regierungen vieler Schwellenländer aber ihre Hausaufgaben gemacht. „Währungskrisen und ein unmittelbar erhöhtes Risiko für einen Exodus von Kapital sehen wir für den Verlauf des Jahres nicht“, sagt Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. „Eine ganze Reihe von Emerging Markets weist zwar ein Leistungsbilanzdefizit und damit einen erhöhten Bedarf an Kapital aus dem Ausland auf. Im Vergleich zu den großen Krisen, etwa Ende der 1990er Jahre, fällt der Anteil der Fremdwährungsverschuldung jedoch inzwischen deutlich geringer aus. Im Ergebnis sind die Volkswirtschaften und Währungen vieler Schwellenländer wesentlich resilienter gegenüber makroökonomischen Verwerfungen geworden.“
China und Indien stehen im Blickpunkt.
Für Gero Stöckle, Manager des Deka-Global Convergence Aktien, gibt es einen weiteren positiven Impuls, der für ein Investment in die Emerging Markets spricht: „Der Wegfall der strikten Lockdown-Maßnahmen in China ist Grundlage für eine Rückkehr zur Normalität in Sachen Beschäftigungsniveau und Wachstum. Dieser Schritt ist der wichtigste Treiber für den Handel in der Region, genauso wie für die Kapitalmärkte der Emerging Markets.“
Speziell in China nimmt Stöckle konsumnahe Branchen und Themen wie E-Commerce und Medien in den Fokus. „Auch die Autoindustrie und ausgesuchte Finanztitel halten wir für attraktiv.“ Ebenfalls im Blickpunkt steht für ihn Indien. Der Subkontinent wird in den kommenden Jahren China als bevölkerungsstärkstes Land der Erde überholen. „Ein weiterhin niedriges und stetig steigendes BIP pro Kopf lässt in der Zukunft signifikante Wachstumsraten zu“, ist sein Kollege Hrdina überzeugt.
Fondsmanager Stöckle investiert außerdem in Mittel- und Lateinamerika – unter anderem in mexikanische Finanztitel, die davon profitieren, dass US-amerikanische Industriezentren ihre Produktion wieder ins eigene Land oder ins unmittelbar benachbarte Ausland zurückholen. In Brasilien setzt der Fondsmanager dagegen auf ein Bildungsunternehmen, das Privathochschulen im Medizinbereich betreibt. „Mit der Investition in solche Firmen partizipieren Investorinnen und Investoren sowohl am strukturellen Trend der Digitalisierung Brasiliens als auch an der steigenden Versorgung mit medizinischem Fachpersonal, die in Brasilien im Vergleich zum OECD-Schnitt unterdurchschnittlich ist“, so Stöckle.
Das Beispiel Brasilien zeigt allerdings auch, wie wichtig es bei einer Anlage in Schwellenländern ist, auf politisch sichere Verhältnisse zu achten. Nach den jüngsten Präsidentschaftswahlen gab es in dem größten Land Südamerikas erhebliche Unruhen. „Ein gutes Verständnis der politischen Situation ist elementar, um das Rendite-Risiko-Verhältnis bei einem Investment in den Emerging Markets beurteilen zu können“, hebt Deka-Experte Hrdina hervor. „Die Aussicht auf politische Stabilität gehört definitiv zu den Voraussetzungen für größere Engagements. Darüber hinaus hat die Deka auch in den Emerging Markets klare Ausschlusskriterien für Aktien von Unternehmen, die nicht die gesetzten ESG-Standards erfüllen.“
Auf globaler Ebene könnte zudem die US-Notenbank die Aussichten für die Emerging Markets trüben. Werden die Hoffnungen auf einen langsameren Kurs der Fed in Bezug auf weitere Zinserhöhungen nicht erfüllt, weil die Inflation hoch bleibt, drohen Kursrücksetzer an den Aktienbörsen. „Das Aktienuniversum der Emerging Markets ist sehr facettenreich und bietet ein breites Feld an spannenden Anlagethemen“, ist Hrdina überzeugt. „Wichtig ist daher, als Investorin oder Investor beweglich zu bleiben und eingegangene Positionen aktiv zu managen. Das Fondsmanagement-Team der Deka hält daher regelmäßigen Kontakt zu den Unternehmen in den Schwellenländern. In den Kernregionen sind wir immer wieder zu Besuch, um die aktuellen Entwicklungen dort zu verstehen.“
Quelle: fondsmagazin
Weitere interessante Artikel