Research und Märkte
Die Weichen werden neu gestellt.
2025 tritt die Welt in eine neue Phase der Transformation ein: politisch, gesellschaftlich und technologisch. Doch Experten sind optimistisch, dass die Finanz- und Kapitalmärkte trotz teils turbulenter Rahmenbedingungen auf Wachstumskurs bleiben. Denn die fundamentalen Rahmenbedingungen geben Firmen – und damit auch den Anlegerinnen und Anlegern – Grund zur Zuversicht.
Dezember 2024
Viele Menschen, die sich für Politik und Gesellschaft interessieren, erliegen derzeit einem Irrtum: Sie schätzen den Einfluss von Donald Trump auf die Weltwirtschaft im kommenden Jahr zu hoch ein – und den von Corona zu niedrig. Denn während der künftige US-Präsident mit vielen düsteren Ankündigungen in der öffentlichen Wahrnehmung omnipräsent ist, ist die Pandemie fast schon wieder vergessen. Ökonomen sehen das bei nüchterner Betrachtung der ökonomischen Fakten umgekehrt: Trumps Handelskriege sind bisher nur Rhetorik, aber die Folgen der globalen Gesundheitskrise werden erst im kommenden Jahr richtig verdaut.
Höchst erfolgreich verdaut, wie Pierre-Olivier Gourinchas sagt. Der Direktor der Forschungsabteilung des Internationalen Währungsfonds freut sich über das Kunststück der Zentralbanken, die durch die Coronakrise verursachte Inflation fast besiegt zu haben, „ohne dabei eine globale Rezession“ auszulösen. Der Anstieg und anschließende Rückgang der Inflation spiegele „eine einzigartige Kombination von Schocks wider: breit angelegte Angebotsunterbrechungen in Verbindung mit einem starken Nachfragedruck im Zuge der Pandemie, gefolgt von einem starken Anstieg der Rohstoffpreise aufgrund des Krieges in der Ukraine“. Im kommenden Jahr werde sich diese Lage wieder normalisieren. Die 2 vor dem Komma bei der Inflation steht aber in den wichtigsten Weltregionen schon. Eine reife Leistung – und eine gute Basis für 2025.
Jubelstimmung im Hinblick auf die Wirtschaft will dennoch in weiten Teilen der Welt nicht aufkommen. „Von vielen Menschen in den fortgeschrittenen Industrieländern werden neue Herausforderungen und die dabei auftretenden Spannungen als ganz grundsätzlich krisenhaft empfunden: Die Welt, wie wir sie kannten, scheint sich zu verabschieden.“ Das stellt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka, fest. Und mit dieser Stimmung habe das Phänomen Donald Trump denn doch wieder eine Menge zu tun: „Mit der eindeutigen Wiederwahl Trumps wird die bereits begonnene Reise in ein neues, weniger liberales und ökonomisch unsicheres Zeitalter beschleunigt.“ Daneben bleibe das Ausmaß der internationalen Gegensätze und Konflikte hoch und verändere die Struktur des Welthandels.
Aber nicht nur die neue Geopolitik und eine neu fragmentierte Weltwirtschaft kennzeichnen diesen Umbruch. Mit digitaler Vernetzung und künstlicher Intelligenz verändert sich die globale Arbeitswelt für viele Menschen ganz direkt, demografischer Wandel und steigender Druck auf größere Nachhaltigkeit zwingen Firmen und ganze Staaten dazu, sich neu aufzustellen – oder sogar neu zu erfinden. Profiteure eines immer schrankenloseren Welthandels wie die deutsche Exportwirtschaft müssen sich auf protektionistischere Zeiten einstellen, erfolgreiche Hersteller von Verbrenner-Limousinen neue Geschäftsmodelle entwickeln – nur zwei Beispiele für den tiefgreifenden Wandel.
Die Risiken dieser fundamentalen Umorientierung der Welt sind überdeutlich, die Chancen oft noch nebulös. Da hören viele Menschen auf handfeste Botschaften – und nicht wenige fürchten sie, so Kater. Doch die potenziellen Folgen des Wiedereinzugs von Donald Trump ins Weiße Haus schätzt der Experte eher als überschaubar ein. Angesichts der erratischen Vorgehensweise dieses Präsidenten sei es allerdings nicht einfach, aus seinen bisherigen Ankündigungen zur Wirtschaftspolitik „konkrete Ableitungen für eine Konjunkturprognose der Jahre 2025/26 aufzustellen“.
Das ist bereits aus seiner ersten Amtszeit bekannt: Trumps Vorgehen ist vor allem „Deal“-geprägt: Einigt er sich mit einem anderen Akteur in Einzelfragen, können sich zuvor angekündigte Strafmaßnahmen in Timing und Umfang deutlich verändern. So hat der Handel zwischen Europa und den USA in der ersten Ära Trump keineswegs gelitten, wie die Bilanzen der EU-Kommission zeigen. Das Volumen ist sogar gestiegen. Kater rechnet aber dennoch damit, „dass wir in den kommenden Monaten unsere Prognosen häufiger revidieren müssen als sonst“.
Auch Europäer profitieren von Trump.
Bisher gehen die Volkswirte nicht von einer eisenharten Konfrontation zwischen Alter und Neuer Welt aus. Denn die würde auch US-Größen wie Apple, Procter & Gamble oder Boeing massiv schaden. „Die Handelspolitik ist der wichtigste Einflussfaktor für Wachstum und Inflation“, erklärt Kater. Doch die US-Regierung werde im ersten Halbjahr 2025 Importzölle nur selektiv und zeitlich gestaffelt anheben. „Im Schnitt dürften die tatsächlichen Zollsätze dabei unter den angekündigten 10 Prozent für Europa und 60 Prozent für China bleiben.“
Parallel dazu geht Kater von einer Fortsetzung der bisherigen Steuersenkungen für US-Unternehmen aus – und für solche, die in den USA fertigen; Volkswagen, Siemens oder Stellantis beispielsweise bauen gerade in den Vereinigten Staaten weitere neue Werke. Und angekündigte Maßnahmen, etwa in den Bereichen Migration und Deregulierung, dürften erst „mittelfristig spürbare ökonomische Effekte zeigen“, so Kater.
Die Weltwirtschaft ist robust.
Handelskonflikte und andere Krisen haben börsennotierte Unternehmen in den vergangenen Jahren ohnehin souverän gemeistert. Die Finanzmärkte sind der beste Beweis dafür. Die Aktienmärkte eilen von Rekord zu Rekord, und auch die Zinsen sind im Vergleich zu früheren Jahren immer noch ordentlich. Tatsächlich normalisieren sich die makroökonomischen Parameter der Weltwirtschaft mit einem schwankungsarmen Weltwirtschaftswachstum, weiter sinkenden Inflationsraten und fallenden Leitzinsen. Das Wirtschaftswachstum setzt sich weltweit fort, und dies in einem grundsätzlich soliden finanzwirtschaftlichen Umfeld.
Das lässt auch viele Unternehmen hoffen, deren Heimat das auch 2025 konjunkturell noch hinterherhinkende Europa ist. Denn ihre Märkte sind die Welt. Für Europa sind mögliche höhere Zölle, die im Handel mit den USA oder China drohen, zwar eine Belastung, „solange jedoch keine Eskalation zu einer Zollspirale erfolgt, bleibt der Schaden begrenzt“, sagt Kater.
Zumal der US-Markt weiter höchst attraktiv ist. Nicht zuletzt darum investieren ja dort viele Firmen in neue Fertigungsstätten – und Anlegerinnen und Anleger gleich in amerikanische Firmen. „Langfristig dürften US-Aktien weiter gut nachgefragt bleiben“, sagt Katers Kollege Joachim Schallmayer. Der Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Deka sieht dabei auch Potenzial in Europa, wenn politische Entscheider die richtigen Weichen stellen. Doch die Dynamik auf dem alten Kontinent bleibe insgesamt schwach, vor allem in Deutschland, wo die meisten Wirtschaftsforscher 2025 nur ein Mini-Wachstum erwarten. „Der Standort hat zunehmend Probleme, selbst bei normaler Konjunktur entsteht kaum noch wirtschaftliche Dynamik“, analysiert Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft. Der Leidensdruck und die wachsende Konkurrenz aus Asien und den USA könne aber auch Beine machen, hofft der Fachmann – nicht zuletzt mit Blick auf die nächste Bundesregierung und eine überfällige Runderneuerung des Standorts für Made in Germany.
Rückenwind aus anderen Weltregionen kann da helfen. Dabei sollen vor allem China, die USA und der ostasiatische Wirtschaftsraum die globalen Wachstumsmotoren sein. „Aus Asien kommt die größte Wachstumsdynamik“, analysiert Deka-Chefvolkswirt Kater. Wer in Vietnam, Singapur, Indonesien oder Malaysia neue Kunden oder Handelspartner gewinne, könne in diesen Zukunftsmärkten den nächsten Aufschwung für sich erschließen.
Rückenwind durch weitere Leitzinssenkungen.
Die Finanzierung der dafür nötigen Transformation jedenfalls dürfte gerade in Europa 2025 wieder günstiger werden. Denn die Volkswirte der Deka prognostizieren drei weitere Leitzinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte. „Die EZB wird ihren Normalisierungspfad im September bei einem Einlagensatz von 2 Prozent abschließen“, erklärt Kater.
Anders sieht es in den USA aus: Hier erwarten die Deka-Volkswirte eine Unterbrechung der geldpolitischen Lockerung durch die Federal Reserve; nicht zuletzt eine Folge der Regierung Trump. „Zölle treiben die Inflation“, sagt Kater. Letztlich trügen die Konsumenten dort den Großteil der Last. Dies könnte die wirtschaftspolitischen Spielräume der US-Notenbank spürbar einschränken. Und auch die Träume und Möglichkeiten eines Donald Trump.
Quelle: fondsmagazin
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