Research und Märkte
Fingerzeig für die Geldanlage.
Neue Perspektiven, andere Assets, mehr Möglichkeiten: Die Welt der Geldanlage ist nach großen Weichenstellungen in heftiger Bewegung. Für die Vermögensbildung sehen Profis am Markt in vielen Sektoren, Regionen und Anlageformen Gelegenheiten zum Handeln – und stellen ihre Portfolios für die Kundinnen und Kunden neu auf.
Februar 2023
Max Flötotto hatte in den vergangenen Jahren einen besonders anspruchsvollen Job: Als Leiter der Bankensparte für Deutschland und Österreich bei der Unternehmensberatung McKinsey musste der Consultant seine Kundschaft durch stürmische Zeiten führen: die Herausforderung der digitalen Transformation bewältigen – und das in einer Zeit, in der durch die Nullzinspolitik der Zentralbanken die Margen im klassischen Kreditgeschäft mächtig unter Druck standen. Das war fast schon eine Sisyphusarbeit.
Doch jetzt sieht der Horizont für Flötottos Klientel wieder rosiger aus. McKinseys neue Studie „Global Banking Annual Review“ prognostiziert für die Zeit nach der Zinswende wieder so profitable Geschäfte für die Branche wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr – und steigende Kapitalerträge für Investoren und Investorinnen. Die Gesamteinnahmen aller Banken weltweit sollten in der nächsten Berichtssaison um 345 Milliarden auf 6,5 Billionen US-Dollar steigen. „Auch wenn die europäischen Banken in Sachen Profitabilität weiter deutlich hinter Instituten in den USA und Asien zurückbleiben, verzeichnete die Branche schon 2022 in der Breite einen deutlichen Anstieg der Eigenkapitalrenditen“, analysiert Flötotto. Zwischen 11,5 und 12,5 Prozent sollten im globalen Durchschnitt drin sein.
Geldanlage im Perspektivenwechsel.
Das Schlaglicht aus der Bankenwelt belegt: Die Zeitenwende nach den Nullzinsjahren, scheinbar endlosem IT-Boom und dem langen Lieferketten-Chaos rückt für die Wirtschaft neue Sektoren und Regionen in den Blickpunkt. Aktives Fondsmanagement richtet sich darauf in der Gewichtung von Assetklassen, Regionen und Branchen ein. „Die neue Gemengelage bringt andere Gewinner hervor”, sagt auch Philipp Spormann. Der Chef des Teams Aktien Global bei der Deka kennt aber auch die Unwägbarkeiten: Würde die Inflation im Worst-Case-Szenario weiter aus dem Ruder laufen, die Rezession länger als ein paar Wintermonate dauern oder gar der Krieg in der Ukraine eskalieren – die Folgen wären schwer absehbar. Nicht nur für die Bankenwelt. Dieses Negativszenario halten die Deka-Volkswirte ebenso wie ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Weltbank oder EU-Kommission zwar für weit weniger wahrscheinlich als eine zügige Erholung hin zu einem neuen Normal. Aber gerade die Jahre 2020 bis 2022 haben gezeigt, was die Welt an negativen Überraschungen bereithalten kann.
In Summe aber seien die Bilanzen nach wie vor solide, und viele Staaten unterstützen Wirtschaft und Nachfrage derzeit mit großen Konjunkturprogrammen, so Spormann. Generell haben Unternehmen, die finanzielle Muskeln aufbauen konnten, in Nachhaltigkeit investiert und die Transformation angegangen sind, weiter genug Kapitalkraft. Rekordgewinne in Branchen wie Rohstoffförderung oder Autoindustrie bieten ein gutes Fundament.
Die Fachleute rechnen daher 2023 mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent – auch wenn zur Jahreswende die Konjunktur durch eine Schwächephase geht. Die Kursrückgänge 2022 bei insgesamt stabilen bis leicht gestiegenen Unternehmensergebnissen haben die Bewertungen spürbar sinken lassen. Zudem haben viele Regionen zu den USA aufgeschlossen. Dort belastet den Gesamtmarkt zwar noch stark, dass die Bewertungen im Technologiebereich „Anpassungsbedarf nach unten“ haben, so die Deka-Experten. Firmen aus Bau, Versorgung oder der Autoindustrie dürften aber durch die billionenschweren Investitionsprogramme für Energiewende oder Infrastruktur deutlichen Rückenwind bekommen.
Für Spormann ist auch der Blick nach Asien besonders lohnenswert. Hier bedeutet das Ende der rigorosen Corona-Lockdown- Politik in China einen Impuls für das Land und die ganze Region. Auch die Krise am dortigen Immobilienmarkt mit den Finanzierungsproblemen großer Wohungsbaufirmen soll entschlossener angegangen werden. „Immobilienentwickler, die solide Finanzen ausweisen können, erhalten wieder leichter Zugang zu Krediten. Das dürfte die Bauaktivität stabilisieren”, analysieren die Deka-Volkswirte. Generell profitieren Aktien aus den Emerging Markets bereits von dem neuen Kurs der Wirtschafts- Lokomotive Asiens. Auch hier könnte es aber in den kommenden Monaten noch Rückschläge geben – damit jedoch auch Einstiegsgelegenheiten für die langfristige Vermögensbildung.
Rohstoff für weiteres Wachstum.
Bei einer tieferen Betrachtung eines weiteren Sektors gebe es ebenfalls neues Wachstumspotenzial, sagt Experte Spormann: „Sehr günstig bewertet sind derzeit viele Rohstoff-Titel, von Öl über Kupfer bis Eisenerz.‘‘ Die fundamentalen Zahlen zu Umsatz, Gewinn oder Geschäftsaussichten würden weiterhin sehr attraktiv aussehen. Zudem „investieren die Unternehmen anders als in der Vergangenheit recht wenig – und schütten dafür viel Geld aus”, so Spormann. Das erhöht die Dividende. Aber auch in diesem Segment sei es wichtig, gezielt die Titel mit dem besten Ertragspotenzial auszuwählen. Denn Nachhaltigkeits-Vorgaben wie die Abkehr von Kohle oder Atomstrom, Dekarbonisierungs-Gesetze oder allgemeine Regulierung könnten in der Branche einzelne Firmen stark unter Druck setzen; eben jene, die ihre Hausaufgaben bei nachhaltigem Wirtschaften schleifen lassen.
Wo es Gewinner in den Sektoren gibt, muss es auch Verlierer geben. Gerade die langjährigen Börsenlieblinge aus der wachstumsorientierten IT-Branche mussten schon 2022 überdurchschnittlich Federn lassen. Massiver Personalabbau ist deshalb gerade überall im Gange. Das ließ neben der US-Börse Nasdaq auch andere Indizes mit einem besonders hohen Tech-Anteil stärker in die Knie gehen.
Spormann sieht grundsätzlich den Digitalisierungs-Trend intakt und erwartet „bei den Zukunftstechnologien, dass sich die Spreu vom Weizen trennt“. Eine signifikante Zahl von Aktien würden zwar den Turnaround nicht schaffen. Aber Firmen mit wegweisenden Geschäftsmodellen beispielsweise bei Cloud-Computing, künstlicher Intelligenz oder Robotik könnten mit der Marktbereinigung neue Wachstumschancen erhalten. Gute Analystinnen und Analysten schauen daher gerade in diesen volatilen Zeiten genau auf Management, Wettbewerb und Produkte der Firmen. Und das weltweit.
Unternehmensanleihen sind attraktiv.
Attraktive Einstiegschancen sieht auch Jörg Boysen. Der Chefanlagestratege bei der Deka Investment rät Anlegerinnen und Anlegern, bevorzugt in ausgeprägten Schwächephasen zuzukaufen. Dabei kann der Fokus zudem in Richtung nachhaltig dividendenstarker Titel gehen. Die regelmäßigen Zahlungen bedeuten gerade in Zeiten von Seitwärtsbewegungen an den Börsen Stabilität. Der Blick auf Dividendenrenditen gehört darum für das Fondsmanagement zum Rüstzeug der Firmenauswahl. Tendenziell sind europäische Unternehmen dabei spendabler als US-amerikanische. Bei den DAX-Unternehmen prognostiziert die DekaBank sogar 2023 einen erneuten Dividendenrekord.
In der erweiterten Anlageperspektive kommt zu den Dividendenrenditen aber ein neues starkes Standbein – und damit eine Dimension der Vermögensbildung, die lange Jahre ein Schattendasein fristete. Der Zins ist zurück, und das gilt auch für die Welt der Anleihen.
Die jahrelang aufgelaufenen Übertreibungen am Anleihemarkt allein durch Kurssteigerungen sind nach den Analysen der Deka-Volkswirte „in einem Rutsch und so gründlich korrigiert worden, dass wir das Anleihesegment nach langer Zeit wieder auf neutral bei den Staatsanleihen und sogar attraktiv für Anleihen von Unternehmen stellen können”. Zum ersten Mal seit der Eurokrise von 2011/12 bringen auf Euro lautende Anleihen solider Unternehmen wieder mehr ein als die Dividendenrendite europäischer Aktien. In den USA ist die Differenz sogar auf etwa 4 Prozentpunkte zugunsten der Unternehmensanleihen angestiegen. Eine Gesamtrendite von etwa 4 Prozent im Euroraum und sogar 6 Prozent bei Anlagen im US-Dollar prognostizieren die Fachleute. Andreas Held, Fondsmanager des Mischfonds Deka-Multi Asset Income, sieht deshalb gute Chancen etwa im Segment für Hochzinsanleihen US-amerikanischer Firmen. Denn die Wirtschaft dort sei trotz globalen Abschwungs robuster aufgestellt als die europäische und weniger dem Energiepreisschock ausgeliefert. Der hat wegen der großen Abhängigkeit von russischen Brennstoffen im Zuge des Ukraine-Kriegs ja vor allem den alten Kontinent getroffen.
Aktive Arbeit an der goldenen Mischung.
Der Rat der Experten lautet daher, „im Rahmen der Anlagestrategie die Unternehmensanleihen spürbar überzugewichten”. Wer dabei aktiv eine ertragsversprechende Mischung aufbaut, könne auch Anleihen von Firmen in den Blick nehmen, deren Bonität weniger gut ist – im Klartext also: wo das Ausfallrisiko höher ist. Denn hier seien oft in den Kaufpreisen bereits deutliche Risikoaufschläge eingerechnet; diese bilden einen deutlichen Puffer, wenn es dann einmal zu möglichen Ausfällen bei Kreditzahlungen kommen sollte. Aber selbst in schweren Krisen wie 2009 sei es nicht zu signifikant hohen Pleiten gekommen.
Ähnliches gilt auch für die Staatsanleihen aus den Emerging Markets: Deren Rendite hat inzwischen ebenfalls ein Zehn-Jahres- Hoch erreicht. Auch hier ist es wichtig, die Risiken abzuwägen und solche Anlagen zu mischen – eine breite Aufstellung ermöglicht dann eher Renditen, die der Inflationsrate trotzen.
Deka-Stratege Boysen ist auch daher optimistisch für 2023: Zwar müssten einige Marktteilnehmer wohl ihre Gewinnerwartungen an die Aktienunternehmungen noch herunterschrauben. Mit Verlusten von bis zu 25 Prozent hätten die Märkte aber bereits frühzeitig eine „milde“ Rezession der Wirtschaft eingepreist. Zwischenzeitlich hält der Experte angesichts der feinnervigen Märkte zwar auch noch größere Korrekturen für möglich. Die dürften aber in der Jahresgesamtsicht wieder eingefangen werden. „Und danach sind die Aussichten gut für einen fundamental begründeten Aufschwung”, so Boysen. Dazu kommen die neuen Möglichkeiten durch die Kraft der Kupons.
Angesichts dieser Lage ist Handeln gefragt – im ganz wörtlichen Sinn. Für das Fondsmanagement gilt: reaktionsschnell sein und die veränderten Gewichte der globalen Möglichkeiten in dementsprechend veränderten Portfolios abbilden. Gute Zeiten also für eine Geldanlage, die aktiv an der goldenen Mischung arbeitet.
Quelle: fondsmagazin
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