Research und Märkte
Im Bann der Wahlen.
In den kommenden Wochen schauen viele Investorinnen und Investoren gebannt auf die Präsidentschaftswahlen in den USA. Entscheidend für den Erfolg im Anlageportfolio ist für die Deka-Fachleute aber der Blick auf die Konjunktur- und Zinsaussichten für die kommenden Jahre – und hier stehen die Ampeln auf Grün.
Oktober 2024
Migranten, die Haustiere von US-Bürgerinnen und -Bürgern verspeisen – diese krude Behauptung von Donald Trump ist vielleicht das Einzige, was von seinem TV-Duell mit Kamala Harris in Erinnerung bleiben wird. Knapp zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen in den USA lieferten sich die beiden eine hitzige Debatte zur besten Sendezeit. Für Harris war der Auftritt nach ihrer kurzfristigen Nominierung zur Kandidatin eine Premiere, die sie nach Meinung vieler politischer Kommentatoren mit Bravour gemeistert hat. Während die amtierende US-Vizepräsidentin souverän und seriös auftrat, wurde Trump zunehmend fahrig und wütend. Beim Thema Einwanderung entgleiste ihm dann die Diskussion, und er verstieg sich zu einer schrillen Aussage, die noch während der Sendung als Luftnummer entlarvt wurde.
„Bisher ist den Republikanern nicht viel als Antwort auf den Führungs- und Strategiewechsel bei den Demokraten eingefallen“, stellt auch die Politikwissenschaftlerin Laura von Daniels fest. Dennoch könnte das Rennen um das Weiße Haus am Ende knapper ausfallen, als es die Umfragen und Medienkommentare vermuten lassen.
Als Beruhigungsmittel indes dürfte der jüngste Zinsentscheid der Fed wirken. Nach langem Zögern haben die Währungshüter auf ihrem ersten Treffen nach der Sommerpause die Leitzinsen gleich um 50 Basispunkte gesenkt. Offensichtlich sind auch den Skeptikern unter den Notenbankern die Argumente für eine Fortführung des straffen Zinskurses ausgegangen, mit der sie seit rund zwei Jahren den Anstieg der Inflation bekämpfen. Der Preisauftrieb in den USA hat sich im August deutlich abgeschwächt. Nach Angaben des US-Arbeitsministeriums stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,5 Prozent – der niedrigste Wert seit Februar 2021.
Auch auf dem nach der Pandemie zeitweise leergefegten US-Arbeitsmarkt zeichnet sich eine Trendwende ab. Zwar sank die Arbeitslosenquote laut offiziellem Arbeitsmarktbericht im vergangenen Monat um 0,1 Prozentpunkte auf 4,2 Prozent. Damit liegt sie aber nur knapp unter dem im Juli erreichten Dreijahreshoch von 4,3 Prozent. Zudem wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in diesem Monat 142.000 neue Stellen außerhalb der Landwirtschaft geschaffen. Volkswirte hatten mit 160.000 zusätzlichen Stellen gerechnet. Vergleichsweise drastisch fiel die Korrektur der Zahlen für Juni und Juli aus: Statt der zunächst gemeldeten 179.000 neuen Stellen wurden laut US-Statistikern im Juni tatsächlich nur 118.000 geschaffen. Den schwachen Juli-Wert von 114.000 neuen Jobs revidierte die Behörde auf 89.000.
Insgesamt verdichten sich die Anzeichen, dass die US-Wirtschaft einen Gang zurückschaltet – für Harris bei näherer Betrachtung ein zweischneidiges Schwert. Denn die steigende Arbeitslosigkeit nährt das subjektive Gefühl vieler Wählerinnen und Wähler, dass die wirtschaftliche Lage schlecht sei. Auf der anderen Seite verschafft sie der Fed Spielraum, durch weitere Zinssenkungen der US-Wirtschaft eine „weiche Landung“ zu ermöglichen und eine ausgeprägte Rezession zu verhindern.
Für Joachim Schallmayer hat die Fed gutes Timing bewiesen. „Die US-Wirtschaft hat sich trotz einigen Gegenwinds erstaunlich robust entwickelt. Es zeigt sich, dass die vergleichsweise hohen Zinsen ihre restriktive Wirkung bislang nur punktuell entfalten, ohne die Konjunktur insgesamt abzuwürgen. Die Dynamik der Wirtschaft lässt deutlich schwächer als erwartet nach und ist nicht besorgniserregend“, ordnet der Kapitalmarktstratege der Deka die Entwicklung ein. „Die Fed dürfte mit der Zinssenkung eine nachhaltige Wende in ihrer Geldpolitik eingeleitet haben. Zwar gehen die Meinungen über Tempo und Ausmaß weiterer Zinsentscheidungen auseinander. Aber in der generellen Perspektive sind sich alle Expertinnen und Experten einig: Es werden 2024 und 2025 noch viele weitere Schritte folgen.“
Joachim Schallmayer
Sweep-Szenario birgt Risiken.
Dass die US-Präsidentschaftswahlen daran etwas ändern, hält er für unwahrscheinlich. „Die negativste Variante wäre ein unklarer Wahlausgang mit einer wochen- oder gar monatelangen Hängepartie, weil die Stimmen neu ausgezählt werden müssten“, bewertet Schallmayer eines von drei möglichen Szenarien nach der Wahl. „Darauf würden die Märkte vermutlich empfindlich reagieren.“ Eine zweite Möglichkeit ist, dass die Partei, die den Präsidenten stellt, auch in beiden Kammern des Kongresses – Senat und Repräsentantenhaus – eine komfortable Mehrheit hat. „Dieses als Sweep bezeichnete Szenario hätte durchaus Implikationen für die Märkte, da die Partei des Präsidenten auch größere Projekte relativ schnell durchsetzen könnte – ohne Rücksicht auf die ohnehin schon sehr hohen Haushaltsdefizite“, erläutert der Deka-Experte.
In diesem Szenario erwartet Schallmayer vor allem Reaktionen am Anleihemarkt – etwa steigende Risikoaufschläge bei US-Staatsanleihen. Aber auch der Aktienmarkt könnte nicht ungeschoren davonkommen – etwa wenn eine mögliche Präsidentin Kamala Harris die Unternehmenssteuern erhöht, um etwa die versprochene Unterstützung einkommensschwacher Haushalte beim Hauskauf zu finanzieren. „In diesem Fall rechnen wir mit einem Rückgang der US-Unternehmensgewinne um, im schlechtesten Fall, zwölf Prozent“, sagt Christoph Witzke, Leiter CIO-Office und Fondsmanager bei der Deka.
Von der auf Nachhaltigkeit und Umverteilung ausgerichteten Politik einer künftigen US-Präsidentin Harris dürften seiner Einschätzung nach einige Branchen stärker profitieren als andere. „Bei einem erneuten Wahlsieg der Demokraten ist davon auszugehen, dass die zuletzt gut gelaufenen Zukunftsthemen aus dem Technologie- und Gesundheitssektor ihre Marktstärke fortsetzen werden“, prognostiziert der Anlagestratege. „Donald Trump hat dagegen bereits mehrfach durchblicken lassen, dass er die Preissetzungsmacht der Pharmakonzerne kritisch sieht.“ Zu den Branchen, die von einem Harris-Sieg ebenfalls profitieren dürften, zählt Witzke den Bereich Nachhaltigkeit – von erneuerbaren Energien über Umwelttechnik bis hin zu Abfall- und Wasserwirtschaft.
Mit einem künftigen US-Präsidenten Trump dürften dagegen die Branchen der Old Economy stärker in den Vordergrund rücken als zuletzt – „allen voran die heimischen Energieunternehmen rund um Öl und Gas“, sagt Witzke. In seiner Auswertung, die einen Zeitraum von 1992 bis heute umfasst, nehmen Aktien aus dem Energiesektor in den neun bis zwölf Monaten nach einer US-Wahl einen Spitzenplatz bei der relativen Marktstärke ein – unabhängig davon, welche Partei in diesem Zeitraum jeweils den Präsidenten stellte.
Auch der Halbleitersektor dürfte sich weiterhin gut entwickeln. „Über diesen dürfte ein US-Präsident Trump seine schützende Hand halten, um das aus seiner Sicht zukunftsträchtige Geschäft rund um Krypto und Blockchain am Laufen zu halten“, meint Witzke. Zudem sieht er unter einer Trump-Regierung für die klassischen energieintensiven Industrien wie Stahl, Automobil und zyklische Konsumgüter Rückenwind. „Das gilt vor allem für Unternehmen, die in der Regel stärker von der Binnenkonjunktur abhängig sind als global agierende Konzerne“, betont Witzke. „Letztere könnten unter Trump Gegenwind bekommen, wenn Zölle und Handelsbarrieren erhöht werden, um US-Importe vor allem aus China einzudämmen.“
Die Kleinen bekommen Rückenwind.
„Unabhängig vom Wahlausgang dürften US-Small- und Midcaps stärker von den günstigeren Finanzierungsbedingungen infolge der Leitzinssenkungen profitieren als Großunternehmen. Denn sie sind im Durchschnitt höher verschuldet und zahlen aufgrund ihrer schlechteren Bonität höhere Zinsen“, betont Philipp Spormann, Leiter Aktien Global/Regionen bei der Deka. „Zudem weisen viele einen Bewertungsabschlag auf, der sich nun verringern könnte.“
Die Einschätzungen der Deka-Experten zeigen: Anlegerinnen und Anleger sollten sich bei ihren Anlageentscheidungen nicht zu sehr von der US-Wahl leiten lassen. Zumal mit Blick auf die Vergangenheit ein drittes Szenario in den Blick kommt: der sogenannte Split. Dabei teilen sich Demokraten und Republikaner die Macht im künftigen Senat und Repräsentantenhaus. Für die kommende Präsidentin oder den Präsidenten heißt das: Sie oder er muss sich politisch arrangieren und Kompromisse finden – so wie es der jetzige Amtsinhaber Joe Biden erlebt. Folge: Vieles von dem, was er sich zum Ziel gesetzt hatte, konnte nicht oder nur mit Abstrichen umgesetzt werden. „Im Ergebnis wird es bei einem Split keine abrupten Veränderungen in der Politik geben. Der Markt wird in diesem Fall schnell wieder zur Tagesordnung übergehen“, glaubt Schallmayer. Auch weil nach Einschätzung von Deka-Experte Witzke manchmal eine Lücke klafft zwischen dem, was Politiker vor der Wahl ankündigen, und dem, was sie am Ende umsetzen können.
Quelle: fondsmagazin
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