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Abnahme

Research und Märkte

Japan – Land der aufgehenden Börse.

Rekordkurse an der Börse und neuer Schwung für die Wirtschaft: Japan hat sich nach Jahrzehnten aus dem tiefen Tal der Konjunktur- und Börsenflaute befreit. Das macht Unternehmen aus dem Land der aufgehenden Sonne auch für Anlegerinnen und Anleger hierzulande wieder interessant.

Mai 2024

An Unternehmen wie Intel, Linde, Alcoa oder BASF sind den meisten Anlegerinnen und Anlegern ein Begriff. Die Konzerne aus den Bereichen Halbleiter, Industriegase, Aluminium und Chemie finden sich auch hierzulande oft in Wertpapierdepots. Ganz anders Resonac. Der Konzern mit einem Umsatz von fast acht Milliarden Euro ist meist nur in Japan bekannt – obwohl das Unternehmen mit Erfolg viele genau der Produkte herstellt, die auch die obigen weltbekannten Unternehmen herstellen. Und erst vor wenigen Tagen kündigte Firmenchef Hidehito Takahashi an, rund 100 Millionen Euro in eine neue Fabrik zur Produktion von Hochleistungschips für KI-Anwendungen zu investieren.

Ähnlich unbekannt sind Unternehmen wie Hoya, Ibiden oder CyberAgent, die in den Zukunftsfeldern Akustik, Optik oder webbasierte Dienstleistungen für verschiedene Schlüsselindustrien über herausragende Kompetenzen verfügen. Diese Unternehmen sind Treiber der digitalen Vernetzung und Elektrifizierung – und alle „Made in Japan“. Aber auch die meisten ihrer Kunden kommen aus Japan oder den angrenzenden asiatischen Ländern. Und das mag einer der Gründe sein, warum sie kaum im globalen Rampenlicht stehen. Patrick Schwahn, Fondsmanager bei der Deka und Experte für den japanischen Markt, kennt diese Unternehmen dennoch sehr gut. Für den DekaLux-Japan hat er gerade in deren Aktien investiert: „Wer sich intensiv mit dem japanischen Markt beschäftigt, findet gerade jetzt viele interessante Titel. Die Unternehmenslandschaft hat sich positiv verändert.“

Die neue Lust am Konsum.

Unternehmen wie Ibiden oder Hoya, aber auch die positive Entwicklung bei Absatz, Gewinn und Aktienkursen bekannter Marken wie des Maschinenbauers Fanuc oder Sony, stehen für einen Aufschwung, auf den die Anlegerinnen und Anleger am japanischen Markt lange warten mussten. Erstmals seit 29. Dezember 1989 erreichte der Nikkei neue Rekordstände und übersprang zwischenzeitlich sogar die Marke von 40.000 Punkten. Im vergangenen Jahr übertraf der japanische Aktienmarkt mit einem beeindruckenden Anstieg des Leitindex Nikkei 225 von über 27 Prozent sogar den deutschen und amerikanischen.

Mehr Transparenz in der Unternehmenspolitik, mehr Shareholder-Value, neue Regelwerke an den Börsenplätzen, eine aktivere Notenbankpolitik und staatliche Förderungen: Grundlegende und nachhaltige Veränderungen wie diese haben in Japan zu diesem Aufschwung beigetragen. Nach drei Jahrzehnten Deflation erlebt Japan erstmals wieder einen leichten Preisanstieg – und auch die Löhne steigen wieder. Die fernöstlichen Sparweltmeister geben deshalb mehr aus, statt wie jahrelang üblich einfach abzuwarten, bis alles ohnehin billiger wird, so Schwahn.

Auch die Tokioter Börse hat nach langem Widerstand aus der Wirtschaft Reformen eingeleitet: Unternehmen erhielten Vorgaben zur Verbesserung der Profitabilität, der langfristigen Rendite sowie der Bewertung und setzten diese um. Auch viele kursbelastende Überkreuzbeteiligungen, die nicht nur Experte Schwahn an die Zeiten der „Deutschland AG“ erinnern, sind auf nachhaltigen Druck von Börsen und Regierung inzwischen aufgelöst. Unternehmen, die unter ihrem Buchwert notierten, wurden aufgefordert, einen Sanierungsplan vorzulegen und entweder die Dividende zu erhöhen oder eigene Aktien zurückzukaufen. Die Automobilgiganten Toyota und Honda haben bereits mit Aktienrückkaufprogrammen reagiert.

Global betrachtet profitiert Japan als traditionelle Exportnation vermehrt von den engen Handelsverflechtungen mit den wachsenden asiatischen Schwellenländern. Resonac beispielsweise erwirtschaftet rund ein Fünftel seines Umsatzes im Handel mit Südkorea, Taiwan oder China. Hinzu kommt ein wachsendes Interesse von Unternehmen aus Industrieländern an Geschäftsbeziehungen mit japanischen Firmen. Denn angesichts der politischen Spannungen suchen sie verstärkt nach Alternativen zur Abhängigkeit von China. Davon profitieren japanische Unternehmen wie der Roboterkonzern Mitsubishi Electric oder der Halbleiterproduzent Panasonic.

Zwang zu Automatisierung und Robotik.

Alles in allem hat sich die japanische Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten notgedrungen neu positioniert: Im Land mit der ältesten Bevölkerung der Welt und extrem geringer Zuwanderung zwingt der chronische und zunehmende Arbeitskräftemangel zu anhaltenden und konsequenten Produktivitätssteigerungen durch Automatisierung und Robotik. Führende Unternehmen in diesen Bereichen sind daher längst in Japan angesiedelt, so Heiwa Hasegawa von der Deutsch-Japanischen Industrie- und Handelskammer. Traditionell stark sind die Japaner auch bei Innovationen und Kosteneffizienz. So liegt das Land bei der Zahl der Patente hinter den USA und Deutschland auf Platz drei – und Fabrikorganisationen nach japanischem Vorbild wie Kanban, Total Quality oder Kaizen haben weltweit Vorbildcharakter, wie der Mainzer Experte Professor René Haak betont.

Zudem profitieren japanische Unternehmen von der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Notenbank nahe der Nulllinie und der Schwäche des japanischen Yen. Allein im vergangenen Jahr hat der US-Dollar gegenüber dem Yen um rund acht Prozent zugelegt. Das verschafft stark exportorientierten Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil. Sie können ihre Waren im Welthandel günstiger anbieten und so ihre Exporte steigern.

Nissan, Honda und Toyota haben ihre Gewinnprognosen für 2024 bereits angehoben: Nissan um 13 Prozent, Honda um 20 Prozent und Toyota sogar um 50 Prozent. Gut auch für deren Zulieferer, die ebenfalls überdurchschnittlich oft aus Japan kommen. Denn diese Firmen können durch die globale Nachfrage die sinkende Absatzzahlen in China deutlich überkompensieren.

Staatliche Subventionen könnten die Konjunktur weiter stützen, vor allem in Schlüsselbranchen wie der Chipindustrie. Die japanische Regierung kündigte schon eine Finanzspritze von rund zwölf Milliarden Euro zur Förderung der heimischen Chipindustrie an. Ministerpräsident Fumio Kishida hat das Geld eigens in einem Sonderhaushalt eingeplant. Und Bürgern, die über spezielle Wertpapierkonten mit Aktien für das Alter sparen, gewährt die Regierung hohe Steuerfreibeträge.

Dividendenrekorde auch in Japan.

Neben diesem Zuckerbrot gibt es für die Wirtschaft aber auch die Peitsche der Politik: So hat die Regierung kürzlich die Corporate-Governance-Vorschriften verschärft, um die Bewertung der Unternehmen zu erhöhen; etwa durch erhöhte Offenlegungsverpflichtungen bei Nachhaltigkeit oder Gewinnverwendung. Und alle heimischen Unternehmen sind gezwungen, ihre Aktionärsrenditen zu verbessern, etwa durch höhere Gewinnausschüttungen. Die Dividenden der Nikkei-Unternehmen sind daher im vergangenen Jahr auf ein Rekordniveau gestiegen. „Zusammen mit den guten wirtschaftlichen Wachstumsaussichten durch die anziehende Weltkonjunktur und den immer noch vergleichsweise niedrigen Bewertungen macht dies japanische Unternehmen grundsätzlich attraktiver für globales Kapital“, so Schwahn.

Japan hat sich als Land positioniert, das nicht nur politische und wirtschaftliche Stabilität bietet, sondern auch nachhaltig Innovation und Wachstum vorantreibt. Das spiegeln inzwischen auch die Börsenkurse wider. Immer mehr Investoren suchen deshalb gezielt nach den besten Unternehmen auf den Inseln. Die Welt hat Japan wiederentdeckt.

Quelle: fondsmagazin
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