Research und Märkte
„Normalisierung schafft Chancen“
Während gerade nach der US-Präsidentschaftswahl wieder geopolitische Konflikte und politische Polarisierung die Schlagzeilen diktieren, bleibt die Weltwirtschaft auf Wachstumskurs. Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka, sieht ein interessantes Umfeld für Anleihen.
November 2024
Kaum ein Tag vergeht ohne neue Nachrichten zu politischen Spannungen und kriegerischen Konflikten. Dass sich die weltweiten Finanzmärkte dennoch über weite Strecken unbeirrt entwickelt haben, ist für Dr. Kater, Chefvolkswirt der Deka, nur scheinbar ein Widerspruch. „Der tägliche Strom an politischen Negativmeldungen übertönt die durchaus guten Wirtschaftsdaten“, erklärt der Chefökonom. „Dabei kann die Wirtschaft sehr wohl mit komplexen politischen Rahmenbedingungen leben, insbesondere mit Blick auf Allgemein- und Geopolitik – wenn denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen.“ Er sieht die Weltwirtschaft daher derzeit auf stabilem Wachstumskurs. Vor allem die Anleihemärkte bieten seiner Meinung nach attraktive Konditionen.
Die aktuelle Phase sei eine Zeit der Normalisierung nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten des Ausnahmezustandes, so Kater. „In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wir eine sehr ungewöhnliche, schockintensive Periode erlebt. Auf die globale Finanzkrise 2008 und die Niedrig- und Negativzinsphase der 2010er-Jahre folgte die Coronapandemie und dann der Inflations- und Zinsschock ab 2022. Mit den Trends beim Wirtschaftswachstum sowie Inflation und Zinsen kehren wir hier eher wieder zum Normalzustand zurück.“ Mit prognostizierten realen Wachstumsraten von ca. drei Prozent Wachstum in den Jahren 2024 und 2025 sollte die Weltwirtschaft das ihr zur Verfügung stehende Potential für Wachstum voll ausnutzen. Die Inflationsraten nähern sich währenddessen den Notenbankzielen an, und die Zinsen und Anleiherenditen gehen moderat zurück.
Dr. Ulrich Kater
Chefvolkswirt der Deka.
Wirtschaftlicher Ausblick positiv.
Die Konjunktur hält Kater für robust: „Die Dynamik in den USA dürfte sich etwas abschwächen, allerdings bleiben die Standortbedingungen positiv – trotz oder vielleicht sogar wegen der zweiten Amtszeit Donald Trumps. Für den Euroraum dagegen ist ungeachtet der absehbaren Schwächung des transatlantischen Bündnisses mit einer Beschleunigung zu rechnen, Deutschland dürfte dabei allerdings zu den Schlusslichtern im Euroraum zählen, solange hierzulande nicht wirklich ernsthaft an den Rahmenbedingungen gearbeitet wurde.“ Grund zur Sorge sind hier etwa die Schwäche des Industriesektors, aber auch der wirtschaftspolitische Schlingerkurs etwa in der Energiepolitik. Von China seien aufgrund der anhaltenden Immobilienkrise trotz gegenteiliger Ankündigungen kaum zusätzliche Impulse für die Weltwirtschaft zu erwarten. Insgesamt sind die langfristigen wirtschaftlichen Einschätzungen jedoch sehr stabil.
Die zeitweise schwächeren US-Arbeitsmarktdaten signalisieren für den Volkswirt keine unmittelbare Rezessionsgefahr, sondern sind ebenfalls ein Zeichen der Normalisierung: „In den vergangenen Jahren widersetzte sich die US-Konjunktur scheinbar den Gesetzen der ökonomischen Schwerkraft“, so Kater, „denn meistens bremst ein Zinsanstieg, wie wir ihn erlebt haben, die Wirtschaft bis in die Rezession hinein ab.“ Das BIP-Wachstum gab aber nicht nach, sondern beschleunigte sich im Gesamtjahr 2023 sogar auf 2,5 Prozent. Und das blieb nicht die einzige Überraschung: Denn trotz dieser Beschleunigung kam die Inflation von ihren Höchstwerten deutlich zurück. „Die Bremswirkungen der Zinssteigerung fielen weniger stark aus, weil aus der Coronazeit noch viel aufgestaute wirtschaftliche Nachfrage im System war“, so Kater.
Chancen mit Anleihen nutzen.
Trotzdem sollten Investoren potenzielle Marktschocks im Blick behalten. Deren Eintrittswahrscheinlichkeit hält Kater angesichts der zahlreichen Brandherde weltweit für deutlich erhöht. Auch der zunehmende Protektionismus hat disruptives Potenzial: „Über den Ölpreis oder Lieferkettenunterbrechungen können sich politische Spannungen sehr rasch global auswirken“, warnt Kater. Daher sei es besonders wichtig, Portfolios auf mögliche Extremereignisse vorzubereiten, ohne dabei auf Chancen zu verzichten. „Flexibilität und Diversifikation sind entscheidend“, so Kater.
Normalisierung zeigt sich auch an den Anleihemärkten. Aufgrund der Nullzinspolitik mussten viele institutionelle Anleger neue Renditequellen erschließen, erklärt der Chefökonom: „Das zeigte sich an den liquiden Märkten etwa in der Verlängerung der Duration und im Eingehen größerer Kreditrisiken etwa bei Unternehmensanleihen, aber auch bei der steigenden Nutzung von Komplexitäts- und Illiquiditätsprämien an den illiquiden Märkten“. Mit der Rückkehr der Zinsen können institutionelle Investoren nun wieder mit klassischen Anleihen ihre Zielrenditen erwirtschaften. Zugute kommt ihnen, dass Euro- und US-Staatsanleihen vom Inflationsrückgang und einer geldpolitischen Lockerung profitieren dürften. Auch die zuvor komprimierten Renditeprämien von Unternehmensanleihen haben sich nach der Nullzinsphase wieder normalisiert, so Kater. Er betont die guten Fundamentaldaten: „Die meisten Firmen nutzten die vergangenen Jahre, um ihre Verschuldung abzubauen.“
Fehlentwicklung bei Staatsverschuldung.
Sorgen bereitet ihm die steigende Staatsverschuldung in vielen Industriestaaten: „Im Gegensatz zu den Unternehmen steigern die Regierungen ihre Verschuldung nahezu ungebremst. Noch rascher als im Euroraum steigt die Schuldenquote der USA, die in diesem Jahr ein Defizit von rund 7,5 Prozent des BIP ansteuern. Das droht langfristig das Vertrauen der Märkte zu untergraben.“ Wie stark der Markt im Extremfall reagieren kann, zeigte sich etwa in Großbritannien im Herbst 2022, als die damalige Premierministerin Liz Truss den britischen Gilt-Markt mit ihren Plänen zu massiven Steuerkürzungen fast zum Kollaps brachte. Von solchen Szenarien sind vor allem die USA noch weit entfernt, allerdings sind in fünf bis zehn Jahren in Europa erste Marktreaktionen zu erwarten. Das gilt umso mehr, da die Regierungen kein Problembewusstsein zeigen und immer mehr Länder einen blauen Brief aus Brüssel erhalten. Sorgfältige Kreditanalyse auch der staatlichen Emittenten bleibt damit wichtiger Bestandteil von Renteninvestments.
„Im aktuellen Umfeld gilt für Aktien- und Anleiheportfolios zunehmend der Grundsatz, dass Investoren hier keine Wetten auf Länder oder Sektoren eingehen, sondern stattdessen auf weltweit diversifizierte Portfolios setzen sollten, um Risiken zu minimieren“, so Kater. „Wenn Investoren dies berücksichtigen, überwiegen trotz der bestehenden Risiken ganz klar die Chancen, welche die Rückkehr der Zinsen und die Normalisierung der Konjunktur eröffnet – hier bieten sich Investoren sehr viele attraktive Märkte.“
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