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Abnahme

RESEARCH UND MÄRKTE

Paris steht gleich doppelt im Mittelpunkt.

Frankreich begrüßt zu den Olympischen Spielen Athleten aus aller Welt, doch die letzte Wahl hat das Land noch schwerer regierbar gemacht. fondsmagazin schaut auf die französische Wirtschaft.

August 2024

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo war wenige Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele nicht gut auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu sprechen. Denn erstmalig in der Geschichte der Spiele laufen die mehr als 11.000 Athleten nicht im Olympiastadion ein, sondern kommen auf 160 Booten über die Seine in die Stadt. Viele Wettkämpfe sind so platziert, dass die Wahrzeichen der Stadt ins rechte Licht gerückt werden: Beachvolleyball unter dem Eiffelturm oder das Reitturnier im Schlosspark von Versailles. Und dann „verdirbt uns der Staatschef mit der vorgezogenen Parlamentswahl die Feier“, schimpft Hidalgo.

Statt Freude über das Weltereignis dominiert nach anfänglicher Erleichterung über das Verfehlen der absoluten Mehrheit der Rechten die Angst vor einem unregierbaren Frankreich die Schlagzeilen. Das birgt Risiken für die Börse. „Seit der Ankündigung von Präsident Macron, das Parlament aufzulösen, haben sich französische Aktien deutlich schlechter entwickelt als der breite europäische Markt. Die weitere Entwicklung wird davon abhängen, welche Koalitionen sich nun bilden und ob eine gewisse politische Stabilität wiederhergestellt werden kann, damit Frankreich regierbar bleibt. Solange hier Unsicherheit herrscht, werden französische Aktien von den Anlegern kritisch beäugt“, sagt Thomas Jantos, Portfoliomanager Aktien bei der Deka Investment. Etwas Trost spendet Christian Melzer, Deka-Volkswirt und Länder-Branchenanalyst: „Das Ergebnis wird das Land erst einmal beruhigen, weil die politischen Ränder keine absolute Mehrheit bekommen haben. Die Nervosität ist raus. Drastische und wirtschaftsfeindliche Maßnahmen sind nicht zu erwarten. Extreme Forderungen sind nicht durchsetzbar.“ Eine Rücknahme von Macrons höchst umstrittener Rentenreform etwa sei nicht in Sicht.

Aber auch keine Eindämmung der Verschuldungspolitik. Mit einem prognostizierten Haushaltsdefizit von über fünf Prozent des BIP in diesem Jahr sind die öffentlichen Finanzen Frankreichs bereits angespannt. Die Märkte könnten extravagante, nicht kapitalgedeckte Großausgabenpläne schnell bestrafen, sagt Mujtaba Rahman, Europachef der Beratungsfirma Eurasia. Melzer sieht es so: „Die Schuldenentwicklung bleibt im Fokus. Konsolidierung ist kein erkennbarer Schwerpunkt der nächsten Regierung.“ Hier ist Jantos optimistischer: Was die Märkte zuletzt beruhigt habe, sei die Tatsache, „dass keine der Parteien, die das Staatsdefizit durch hohe Ausgabenprogramme weiter in die Höhe treiben wollten, eine absolute Mehrheit erringen konnte“.

Entspannung durch sinkende Energiepreise.

Frankreich verzeichnete im ersten Quartal 2024 ein Wirtschaftswachstum von real 0,2 Prozent und blieb damit hinter den Erwartungen der Regierung zurück. Hohe Finanzierungskosten sowie eine rückläufige internationale Nachfrage trüben branchenübergreifend das Geschäftsklima und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Für 2024 rechnet die Zentralbank nur mit einem geringen Anstieg der Wirtschaftsleistung um real 0,8 Prozent, die EU-Kommission geht von einem Wirtschaftswachstum von lediglich 0,7 Prozent aus. Sinkende Energiepreise und eine abflachende Inflation sorgen aber überall zumindest für eine leichte Entspannung.

Die Unternehmensinvestitionen entwickeln sich 2023 mit einem Plus von 2,7 Prozent lebhaft. Unternehmen mit finanziellem Spielraum investieren in Energieeffizienz, Digitalisierung und Dekarbonisierung der Produktion, beobachtet die Außenwirtschaftsagentur des Bundes GTAI. Dabei werden die Unternehmen von der Regierung unterstützt. Sie treibt bislang ein ehrgeiziges Reindustrialisierungsprogramm voran und forciert mit dem Konjunkturpaket France 2030 Investitionen in innovative oder für die Klimawende notwendige Technologien. Große Emittenten erhalten gesonderte staatliche Unterstützung für Dekarbonisierungsmaßnahmen oder Projekte im Bereich der Batterie- und Wasserstoffproduktion.

Der Energiebedarf Frankreichs, insbesondere der Strombedarf, wird in den kommenden Jahren stark ansteigen. Angesichts der anstehenden Elektrifizierung von Industrie, Verkehr und Gesellschaft prognostiziert der Netzbetreiber RTE für 2035 einen um 25 bis 40 Prozent höheren Strombedarf als 2022. Die Frage, wie dieser Bedarf gedeckt werden soll, hat für jede mögliche Regierung Priorität. Ziel ist es, die Energieunabhängigkeit des Landes zu wirtschaftlich und sozial verträglichen Preisen zu sichern. Dabei setzt Frankreich vor allem auf die Kernenergie. Dies gilt umso mehr nach dem Energieschock von 2022, als große Teile der Produktionskapazitäten des französischen Atomparks wegen Reparaturarbeiten ausgerechnet zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs in der Ukraine ausfielen. Die scheidende Regierung hat die Stromsteuer für alle Unternehmen von 13,6 Prozent auf 2,5 Prozent gesenkt. Für energieintensive Industrien hat sie zudem einen eigenen Fördertopf eingerichtet. Damit sind die Gas- und Strompreise sowohl für französische Unternehmen als auch für Verbraucher im europäischen Vergleich niedrig. Bislang setzte die Regierung darauf, internationalen Preissteigerungen mit vordergründig günstigem Atomstrom entgegenzuwirken.

Frankreich hat viele starke Unternehmen.

Die Chancen, die das Land bietet, sind intakt – Wahlen hin, Olympische Spiele her. So zählt die Rüstungsindustrie zu den Stärken des Landes. „Frankreich hat aber viele starke Unternehmen, die einen Großteil ihres Umsatzes außerhalb Frankreichs oder sogar außerhalb Europas erzielen. Diese sind jetzt günstiger geworden und erscheinen mittelfristig besonders attraktiv“, sagt Jantos und fügt hinzu: „Nehmen Sie nur die Luxusgüterindustrie, Weine oder Spirituosen, wo französische Marken extrem dominant sind. Ihr Markenimage wurde zum Teil über mehr als 100 Jahre aufgebaut und gepflegt und wird von den Kunden weltweit hochgeschätzt. Das kann auch von asiatischen Wettbewerbern nicht kopiert werden und ist völlig unabhängig von der politischen Situation in Frankreich.“

Tatsächlich verfügt Frankreich mit seiner Luxusgüterindustrie über einen höchst profitablen Sektor, der einen erstrangigen Bestandteil der französischen Wirtschaft und Gesellschaft darstellt: Luxus ist für eine deutliche Mehrheit der Franzosen ein zentrales Symbol des Landes, wofür sie auch bereit sind, überdurchschnittlich viel auszugeben. Der Anteil der traditionellen Luxusindustrie am Sozialprodukt liegt in Frankreich bei knapp einem Prozent – zum Vergleich: in Italien liegt er bei 1,1 Prozent, in Deutschland – ohne Automobilmarkt – bei 0,3 Prozent.

LVMH, Kering und Hermès vorne dabei.

Weltweit entfallen auf die äußerst exportorientierten französischen Luxushersteller knapp 40 Prozent des Umsatzes. Dabei handelt es sich weniger um mittelständische Firmen, als um die großen internationalen Player. Unter den zehn umsatzstärksten Unternehmen finden sich auf den vorderen Plätzen LVMH und der Kering-Konzern von Francois-Henri Pinault. Hermès rundet die französische Vormachtstellung ab. Mehr als die Hälfte des Umsatzes der zehn größten Hersteller von Luxusgütern wird jenseits des Rheins erwirtschaftet. Auf den Plätzen dahinter folgen Hersteller aus den Vereinigten Staaten, der Schweiz und Italien.

Fazit: Wer sich näher mit Frankreich beschäftigt, darf von der aktuellen politischen Unsicherheit beunruhigt sein, sollte sich aber nicht abschrecken lassen. Ein zersplittertes Parlament kann die bisherigen wirtschaftsfreundlichen Reformen nicht rückgängig machen. Und der Präsident ist geblieben. Auf ihn kommt es jetzt an: „Macron hält seine schützende Hand über die Wirtschaft“, sagt Melzer. Und auch wenn er bald strahlend in der VIP-Lounge sitzt und die Kamera zwischen ihm und den Athleten schwenkt, weiß er doch: Es gibt größere und wichtigere Herausforderungen als die Olympischen Spiele.

Quelle: fondsmagazin

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