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Abnahme

Research und Märkte

„Top-Objekte bleiben gefragt“

Ein aktueller Blick auf die europäischen Gewerbeimmobilienmärkte im Vergleich zur Finanzkrise.

Juni 2023

Zeiten steigender Zinsen sind Zeiten steigender Risiken – die Assetwerte und damit auch die Besicherungen für Realkredite sinken, das Risiko von Anschlussfinanzierungen steigt infolge sich verschärfender Kreditvergabebedingungen und Konditionen. 2022 endete die längste und ausgeprägteste Niedrigzinsphase der Finanzgeschichte. Nach der Finanzkrise und ihrer europäischen Ergänzung, der Eurokrise, setzte ein langer Aufschwung der Weltwirtschaft mit extrem niedrigen Zinsen ein, einhergehend mit stark steigenden Vermögenspreisen und einer deutlichen Zunahme der Kreditvergabe. „Zwar kam es 2022 bereits zu deutlichen Korrekturen am Immobilienmarkt, doch haben die älteren noch ausstehenden Immobilienfinanzierungen zuvor auch sehr kräftige Preissteigerungen erfahren, was einen gewissen Bewertungspuffer bietet“, verdeutlicht Daniela Fischer vom Makro-Research der Deka. Zudem sind die Banken bei neuen Finanzierungen schon frühzeitig vorsichtiger geworden. Seit März vergangenen Jahres wurden die Beleihungsgrenzen deutlich gesenkt. Durch die von der EZB eingeleitete Zinswende ist der Deckungsgrad der Mieten für die Zinszahlungen stärker in den Fokus gerückt. Fischer: „Auch wenn sich die Fremdkapitalkosten stabilisiert haben, bleiben die Refinanzierungsrisiken erhöht.“

Korrektur an den Investmentmärkten.

Die dramatischen Zinsbewegungen seit Mitte 2022 haben tiefe Spuren an den Investmentmärkten hinterlassen. „Die Nachfrage ist eingebrochen, die Vervielfältiger gaben nach, und die Spitzenrenditen stiegen deutlich“, so die Immobilienexpertin. Allerdings sei die Anzahl an Deals eingeschränkt. Und die Objektbewertungen in der Breite würden der Marktentwicklung naturgemäß hinterherhinken. Nach einem bereits schwachen Jahresendquartal verfehlte das europaweite gewerbliche Investmentvolumen im ersten Quartal 2023 das zehnjährige Mittel um 47 Prozent, im Bürosegment sogar um 62 Prozent. Käufer und Verkäufer kämen angesichts divergierender Preisvorstellungen noch immer nicht zusammen. „Wir rechnen im laufenden Jahr noch mit Renditeanstiegen, 2024 mit einer Konsolidierung“, prognostiziert Fischer.

Europaweit gaben die Kapitalwerte von Büroobjekten 2022 um 12 Prozent nach. 2023 könnten weitere Rückgänge um 8 Prozent in Richtung der Niveaus von 2018 folgen. Im Vergleich zu 2008/09 wäre die Wertkorrektur im Aggregat über 25 Märkte damit geringer, in Deutschland allerdings stärker, wie die Deka-Experten feststellen: „In den deutschen Top-Märkten waren die Anfangsrenditen in der Finanzkrise weniger stark gestiegen, die Renditekompression seit 2016 wiederum war überdurchschnittlich.“ Mit ihrer Nullzinspolitik habe die EZB eine wahre Preisrallye in Richtung nicht nachhaltiger Niveaus ausgelöst. Eine Korrektur sei bereits länger erwartet worden, nicht jedoch das Ausmaß und die Schnelligkeit, ausgelöst durch den Preis- und Zinsschock infolge des Ukrainekriegs. Der Zinssprung trifft hoch fremdfinanzierte Investoren sowie vom Strukturwandel betroffene Objekte besonders stark. Auf Fondsebene ist insgesamt von weniger starken Bewegungen auszugehen, insbesondere bei konservativen und eigenkapitalstarken Investitionsvehikeln. Angesichts der robusteren Verfassung der Realwirtschaft im Vergleich zu Zeiten der Finanzkrise geht Fischer aus heutiger Sicht nicht von einer großen Verkaufswelle bei Gewerbeimmobilien aus.

Büromietmärkte vergleichsweise robust, aber stärkere Ausdifferenzierung.

Im Gegensatz zu den Investmentmärkten erweisen sich die Büromietmärkte als vergleichsweise robust. Vor allem inflationsbedingt stark steigende Spitzenmieten verhinderten 2022 stärkere zinsinduzierte Wertverluste. „Im Gegensatz zur Finanzkrise handelt es sich aktuell nicht um eine kombinierte Miet- und Investmentmarktkorrektur“, erläutert Fischer. Während 2007/08 die stark gestiegene Risikoaversion zunächst zu steigenden Anfangsrenditen geführt hätte, erreichte die Kreditkrise dann zeitverzögert die Realwirtschaft und löste eine tiefe globale Rezession aus, einhergehend mit Stellenabbau und einem Einbruch der Flächennachfrage. Auch steigende Fertigstellungszahlen führten zu höheren Leerständen und sinkenden Mieten. Fischer: „Aktuell erwarten wir im Hauptszenario (65 Prozent) kein Überschwappen des Bankenstresses auf die Realwirtschaft. Regulatorische Verschärfungen, aber auch makroökonomische Vorteile aus einer verbesserten Verschuldungsquote haben die Banken auf eine wesentlich solidere Basis gestellt als noch vor 15 Jahren.“ Die Arbeitsmärkte erweisen sich laut dem Immobilien-Research der Deka trotz Wirtschafts- und Energiekrise als relativ robust. Staatliche Stützungsmaßnahmen und vor allem der verschärfte Arbeits- und Fachkräftemangel wirken sich auch auf die Nachfrage nach Büroraum stabilisierend aus.

Gleichwohl schlägt sich laut Daniela Fischer die Konjunkturabkühlung in mittlerweile deutlich niedrigeren Flächenumsätzen nieder: „Moderne ESG-konforme Objekte in Toplagen bleiben jedoch gefragt.“ Die europaweite Leerstandsquote war 2022 stabil bei gut 8 Prozent. In den deutschen BIG 7 stieg die Quote auf nach wie vor niedrige 4,9 Prozent (2007/08: 9 Prozent). Die weiteren Anstiege sollten insgesamt überschaubar bleiben. Bei nicht zeitgemäßen Objekten und in dezentralen Lagen sei jedoch verstärkt mit strukturellem Leerstand zu rechnen. Der Bauzyklus erreiche im laufenden Jahr seinen Höhepunkt. Der Nettozugang ist erheblich niedriger als 2008/09. Mittelfristig sei wegen der stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten ein deutlicher Rückgang der Fertigstellungen und ein Nachfrageüberhang nach modernen Top-Objekten zu erwarten.

2022 stiegen die Spitzenmieten europaweit um 7 Prozent, in den deutschen BIG-7-Märkten sogar um fast 11 Prozent gegenüber Vorjahr. „Die Mieten dürften weiter steigen. Aufgrund der schwächelnden Konjunktur und z. T. stark gestiegener Preisniveaus sowie rückläufiger Inflationsraten rechnen wir für die nächsten Jahre allerdings mit einer deutlich geringeren Wachstumsdynamik“, verdeutlicht Fischer. Auch wenn die Entwicklungen auf aggregierter Ebene insgesamt verkraftbar erschienen, unterlägen die Büromärkte doch erheblichen strukturellen Änderungen. Die neue hybride Arbeitswelt mit dauerhaft mehr mobiler Arbeit reduziere den Flächenbedarf der Unternehmen. Daher geht die Expertin künftig von einer starken Spreizung des Marktes aus. Moderne Top-Objekte in besten Lagen mit guter Anbindung und hohen Annehmlichkeiten für die Angestellten blieben mit Blick auf den Fachkräftemangel gefragt. Der Druck auf Eigentümer veralteter, nicht marktkonformer Objekte selbst in guten Lagen dürfte dagegen stark zunehmen, vor allem auch vor dem Hintergrund von ESG und verschärften CO2-Vorgaben.

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