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Recht und Regulatorik

Die SFDR: Eine gute Idee – aber mit Defiziten.

Die Offenlegungsverordnung soll es Investoren vereinfachen, nachhaltige Finanzprodukte miteinander zu vergleichen. Die Realität sieht jedoch oft anders aus: eine Vielzahl ESG-Reportings für das gleiche Produkt, verfasst in Überlänge und dazu noch mit Redundanzen. Stefan Eich, Leiter ESG Client-Solutions bei der Deka, zeigt im Interview die Herausforderungen und Schönheitsfehler der Regulierung auf und erklärt, warum die Grundidee doch nicht so falsch ist.

März 2024

Interview mit Stefan Eich, Leiter ESG Client-Solutions bei der Deka.


Über 2.000 verschiedene Personen mit stets neuen Wendungen und Enthüllungen – für Fans der Kultserie „Game of Thrones“ war es nicht immer leicht, den Überblick über die Handlungsstränge und ihre Lieblingscharaktere zu behalten. Ähnlich herausfordernd dürfte es für viele Investoren sein, sich im Dschungel der regulatorischen ESG-Informationen zurechtzufinden.

Stefan Eich, Leiter ESG Client-Solutions, gibt im Gespräch einen Einblick in die regulatorischen Anforderungen der SFDR, welche ESG-Informationen Finanzmarktteilnehmer bereitstellen müssen, und welche künftigen Entwicklungen noch zu erwarten sind.

Herr Eich, ESG-Reporting nach SFDR, CSRD, ESRS, PAI-Statement, PRI und MiFID II: Selbst informierte Laien verlieren hier schnell den Überblick. Was versteckt sich hinter den Kürzeln und wie hängen diese zusammen?

Hier wird viel durcheinandergeworfen, was nur bedingt miteinander zu tun hat. 2018 hat die EU-Kommission ihren Aktionsplan für nachhaltige Finanzen vorgestellt. Darin sind verschiedene Maßnahmen mit unterschiedlichen Zielsetzungen definiert, die in den folgenden Jahren sukzessive umgesetzt wurden. Die Offenlegungsverordnung Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) ist nur eine davon. Sie soll es erleichtern, nachhaltige Anlagestrategien von Fonds oder Vermögensverwaltungsdienstleistungen miteinander zu vergleichen. Ihr Ziel ist es, Transparenz darüber zu schaffen, inwiefern diese Finanzprodukte ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen, in nachhaltig ausgerichtete Anlagen investieren oder ökologisch nachhaltige Ziele verfolgen.

Wesentlicher Bestandteil der SFDR sind die Transparenzvorgaben zu den Principal Adverse Impacts (PAI). Die PAI-Indikatoren geben an, ob bzw. wie sich negative Nachhaltigkeitswirkungen aus Anlageentscheidungen der Finanzprodukte auf Nachhaltigkeitsfaktoren in den Bereichen Umwelt und Soziales auswirken.

Das wirkt bisher noch recht übersichtlich. Es gibt aber ja noch weitere Verordnungen und Richtlinien.

Das ist richtig: Seit Januar 2022 ist zusätzlich die sogenannte EU-Taxonomieverordnung anzuwenden. Sie ist Teil der erweiterten Offenlegungspflichten der SFDR und legt im Wesentlichen fest, ob und wie Wirtschaftstätigkeiten im Rahmen von Investitionen als ökologisch nachhaltig bzgl. der sechs definierten EU-Umweltziele klassifiziert werden können. Ergänzt wird das Ganze durch die im Januar 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese EU-Richtlinie verpflichtet Unternehmen dazu, über ihren Umgang mit Nachhaltigkeitsaspekten Rechenschaft abzulegen. Die CSRD führt verbindliche Berichtsstandards ein, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Daneben gibt es weitere regulatorische Vorschriften, die nicht spezifisch auf ESG oder Nachhaltigkeit abzielen, aber dennoch relevant sind. So etwa die Finanzmarktrichtlinie MiFID II, welche die Kommunikation von Finanzmarktteilnehmern mit Kundinnen und Kunden betrifft, und so auch Einfluss auf das Anlegerverhalten nimmt.

Stefan Eich

Leiter ESG Client-Solutions, Deka

Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer müssen also eine Menge Informationen bereitstellen. Wie sieht das konkret für Investoren aus? Welche Daten werden für sie bereitgestellt und womit sehen sich diese konfrontiert?

Die Offenlegungsverordnung macht ESG-Berichterstattung zur regulatorischen Pflicht. Vermögensverwalter und Anlageberater müssen darin über ihre Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken, wesentliche nachteilige Auswirkungen sowie über das Zusammenspiel von Vergütungspolitik und der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken berichten. Dabei gibt es unternehmensbezogene und produktbezogene Berichtspflichten. Die produktbezogenen Veröffentlichungen werden in den vorvertraglichen Informationen und regelmäßigen Berichten veröffentlicht, wie etwa dem Verkaufsprospekt, den Anlagerichtlinien oder dem Jahresbericht. Die unternehmensbezogenen Informationen hingegen müssen auf der Webseite zugänglich gemacht werden, und umfassen beispielsweise auch das PAI-Statement nach Artikel 4 der SFDR, welches quantitative Angaben über obligatorische PAI-Indikatoren bzgl. der negativen Nachhaltigkeitswirkungen aus den Investitionsprozessen macht oder die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in Investitionsentscheidungen gemäß Artikel 3 der SFDR.

Für Produkte mit Nachhaltigkeitsmerkmalen gelten darüber hinaus zusätzliche Berichtspflichten und deren Reportings erfolgen anhand vorgeschriebener einheitlicher Templates. Die Informationspflichten der SFDR gelten übrigens unabhängig davon, ob es sich um institutionelle Investoren oder Privatanleger handelt – sowohl für Spezialfonds als auch für Publikumsfonds sind die Berichtspflichten zu erfüllen.

Standardisierte Informationen – das klingt erst einmal positiv.

Grundsätzlich ist die Idee der SFDR, Transparenz zu schaffen, sodass Kundinnen und Kunden sich selbst ein Urteil bilden können. Soweit gut gemacht, denn es handelt sich hier um eine freiheitliche Regulierung und das ist ausdrücklich zu begrüßen. Problem ist aber: Es fehlen wesentliche Definitionen, insbesondere aber die Vorgaben zur Quantifizierung nachhaltiger Investitionen. Gleichzeitig sind die offenzulegenden Informationen aber viel zu umfangreich, unübersichtlich und zum Teil auch redundant. Für Privatanleger ist es unrealistisch, sich hier zurechtzufinden. Selbst manchen institutionellen Investoren fehlt hier teilweise das nötige ESG-Know-how. Dazu kommt, dass die unterschiedlichen Gesetzeswerke nicht aufeinander abgestimmt sind. So verbleiben sie mit eingeschränktem Nutzen.

Informationen sind ein gutes Stichwort. Herr Eich, die Finanzbranche hat im vergangenen Jahr immer wieder auf mangelnde Daten und unzulängliche Datenqualität hingewiesen. Was hat es hiermit auf sich?

Wenn ich als Vermögensverwalter die nachhaltigen Auswirkungen eines Portfolios erfassen will, muss ich dazu die Auswirkungen jedes einzelnen Unternehmens kennen. Bisher war jedoch nur ein kleiner Teil der Unternehmen dazu verpflichtet, diese Informationen bereitzustellen. Für die PAI-Statements wurden daher oft Daten von externen Datenprovidern eingekauft – die allerdings alle unterschiedliche Methoden nutzen und deren Daten deutlich voneinander abweichen. Forscher am amerikanischen MIT haben beispielsweise nachgewiesen, dass die Korrelation unterschiedlicher ESG-Ratings lediglich 0,54 betrug. Und Vermögensverwalter müssen gleichzeitig nachweisen, dass sie die Methodiken der Datenprovider verstehen und nachvollziehen können, wie diese zu ihren Einschätzungen kommen. Dabei war für sie oft nicht erkennbar, ob die Daten durch die Rating-Agenturen geschätzt wurden oder auf veröffentlichten Daten basieren. Das ist brisant, da die PAI-Statements von Wirtschaftsprüfern geprüft werden, die (vom Provider) bezogenen Daten zur Taxonomiefähigkeit der Investitionen aber nicht die Anforderungen an die Do No Significant Harm-Prüfung erfüllen. So arbeiten wir daher bei der Deka daran, eine eigene Datensystematik zur Qualifizierung und Quantifizierung der nachhaltigen Investition einzuführen.

Man muss dem Gesetzgeber jedoch zugutehalten, dass er hier nachgebessert hat und mit der EU-Verordnung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) ab 2025 deutlich umfangreichere Daten von der Realwirtschaft einfordert. Daher verbessert sich die Situation nun langsam und es lässt sich eine höhere Datenabwicklung beobachten. Wir stehen hier noch am Anfang der Entwicklung.

Es gibt also Licht am Ende des Tunnels. So langsam haben sich vermutlich auch alle Marktteilnehmer auf die neuen Anforderungen eingestellt. Gibt es denn ähnliche Bestrebungen, die Fehler der SFDR auszubessern?

Der Regulierer hat erkannt, dass er mit der aktuellen Offenlegungsverordnung das Ziel der Regulierung nicht wirklich erreicht. Daher hat er bereits die Überarbeitung der Durchführungsverordnung der SFDR angestoßen und konsultiert inzwischen Anpassungen an der Verordnung selbst. Es geht hier also durchaus in die richtige Richtung. Das heißt jedoch auch, dass sich beispielsweise die Templates zur Veröffentlichung der Informationen bald schon ändern können – was erneuten Aufwand bei den Produktanbietern bedeutet. Die Klärung der Kardinalsfragen, nämlich der Mindestanforderungen (an) und (die) zur Quantifizierung nachhaltiger Investitionen steht zudem noch aus.

Aber auch eine Neuausrichtung und Harmonisierung der Offenlegungsverordnung mit anderen regulatorischen Vorgaben wie der CSRD und MiFID ist wünschenswert. Wichtig ist dabei jedoch, dass nicht wieder die gleichen Fehler gemacht werden und stattdessen beispielsweise konkretere als die in der Konsultation diskutierten Produktkategorisierungen eingeführt werden.

Hier könnte alternativ auch die Fondsnamen-Regulierung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) helfen, die voraussichtlich 2024 veröffentlicht wird. Für Namensbestandteile mit ESG-Bezug wie „Nachhaltigkeit“ oder „sustainable“ definiert der Regulierer hier tatsächlich konkrete Mindestanforderungen. Vielleicht schafft man es ja, die künftige SFDR und Fondsnamen-Regulierung aufeinander abzustimmen – wir werden sehen.

Übersicht der wichtigsten ESG-Abkürzungen.

Kürzel Maßnahme Erläuterung

SFDR

Sustainable Finance Disclosure Regulation, Offenlegungsverordnung

Die SFDR soll es erleichtern, nachhaltige Anlagestrategien miteinander zu vergleichen. Ihr Ziel ist es, Transparenz darüber zu schaffen, inwiefern Finanzprodukte ökologische und soziale Kriterien berücksichtigen, in nachhaltig ausgerichtete Anlagen investieren oder nachhaltige Ziele verfolgen.

PAI

Principal Adverse Impact,
wichtigste nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen

Die PAI sind ein wesentlicher Bestandteil der SFDR und sollen zeigen, inwiefern Anlageentscheidungen und Investitionen sich negativ auf Nachhaltigkeitsfaktoren auswirken. Die nachteiligen Auswirkungen werden anhand sogenannter Nachhaltigkeitsindikatoren gemessen.

MiFID II

Markets in Financial Instruments Directive, Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente

Ziel der überarbeiteten Richtlinie ist es, die Funktionsweise und Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern und Verbraucher in der EU besser zu schützen.

CSRD

Corporate Sustainability Reporting Directive, EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie

Diese EU-Richtlinie verpflichtet Unternehmen aus der Realwirtschaft dazu, über ihren Umgang mit Nachhaltigkeit Rechenschaft abzulegen.

ESRS

European Sustainability Reporting Standards

Die ESRS sind Teil der CSRD und stellen einheitliche und verbindliche Berichtsstandards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung dar.

PRI

Principles for Responsible Investment, Prinzipien für verantwortliches Investieren

Die Prinzipien für verantwortliches Investieren sind eine Finanzinitiative von Investoren und der UN, die mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, Grundsätze für verantwortungsbewusstes Wertpapiermanagement zu entwickeln.

DNSH

Do No Significant Harm

Das DNSH-Prinzip ist Teil der EU-Taxonomie und bezieht sich darauf, dass unternehmerische Aktivitäten nur dann als nachhaltig gelten, wenn sie kein Umweltziel erheblich beeinträchtigt.

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