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Abnahme

Regulatorik

Start in eine neue Zeitrechnung zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft.

Am 1. Januar 2022 ist die EU-Taxonomie-Verordnung in Kraft getreten. Sie soll definieren, was ökologisch-nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten sind und so einen verbindlichen Handlungsrahmen für das Finanzsystem schaffen. Das Thema ist komplex, einige Aspekte werden zudem kontrovers diskutiert. Deshalb ist die Verordnung mit ihrem Inkrafttreten in Bezug auf Ziele und Anforderungen noch nicht final. Welche Teile der EU-Taxonomie-Verordnung gelten seit dem 1. Januar? Welche Punkte sind noch offen? Wo liegen künftige Herausforderungen für Investoren und Vermögensverwalter? Ein Statusbericht.

Januar 2022

Seit dem 1. Januar 2022 gilt die EU-Taxonomie-Verordnung. Damit macht die EU einen weiteren Schritt in Richtung einer einheitlichen Definition dessen, was ökologisch-nachhaltiges Wirtschaften bedeutet. Laut dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) haben allein in Deutschland Anleger bis zum 2. Quartal 2021 über 360 Milliarden Euro in nachhaltige Fonds investiert, was ein grundsätzliches Interesse an nachhaltigen Geldanlagen signalisiert. Gleichzeitig wächst aber die Kritik an Unternehmen, die sich ein nachhaltiges Image geben, ohne entsprechend zu handeln. Die Diskussion über dieses so genannte „Greenwashing“ verunsichert potenzielle Anlegerinnen und Anleger.

Eine Umfrage des Vermögensverwalters Schroders aus dem Frühjahr 2021 unter 750 institutionellen Investoren zeigte, dass vor allem die Sorgen vor „Greenwashing“ (59 Prozent) sowie der Mangel an Transparenz und Daten (53 Prozent) Investoren in Bezug auf nachhaltige Anlagen beschäftigen. Hier soll die EU-Taxonomie-Verordnung Abhilfe schaffen, indem sie detailliert definiert, unter welchen Voraussetzungen eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. So werden bezüglich der ersten beiden Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ beispielsweise für einzelne Industriezweige konkrete Emissionsgrenzen festgelegt, die nicht überschritten werden dürfen.

Offene Punkte sollen Gesamtprojekt nicht ausbremsen.

Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit ist der Versuch, einheitliche und allgemein akzeptierte Definitionen nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten zu verfassen, eine Herkulesaufgabe. Die EU-Taxonomie-Verordnung definiert sechs Umweltziele, an denen sich wirtschaftliche Aktivitäten künftig messen lassen müssen, um als nachhaltig zu gelten:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Bei wichtigen Umweltfragen, allen voran dem Klimawandel, besteht enormer Handlungsdruck. Um hier nicht wertvolle Zeit zu verlieren, hat die EU-Kommission sich entschlossen, die Taxonomie zunächst auf die drängendsten Punkte auszurichten. Von den sechs ursprünglich definierten Umweltzielen adressiert die EU-Taxonomie zunächst die Ziele „Klimaschutz“ (eins) und „Anpassung an den Klimawandel“ (zwei). Nur diese beiden Umweltziele sind am 1. Januar 2022 in Kraft getreten.

Bei einigen Punkten, die zwischen den Mitgliedsstaaten der EU strittig sind, wie der Kategorisierung von Atomenergie und Erdgas, zeichnet sich eine Lösung ab. So schlägt die Kommission vor, dass Kernkraft und Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen übergangsweise als nachhaltige Brückentechnologien im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung einzustufen sind. Ein Schritt, den man bei der Deka durchaus kritisch sieht: „Die Taxonomie wird politisch gekapert. Die Glaubwürdigkeit hat massiv eingebüßt. Den eigentlichen Zielen, nämlich den Klimawandel zu verlangsamen und die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten, hilft das nicht“, kommentiert Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka.

„Die Taxonomie wird politisch gekapert. Die Glaubwürdigkeit hat massiv eingebüßt. Den eigentlichen Zielen, nämlich den Klimawandel zu verlangsamen und die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten, hilft das nicht“

Ingo Speich

Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka.

Um zu verhindern, dass solche Kontroversen das Gesamtprojekt ausbremsen, gilt die EU-Taxonomie-Verordnung zunächst ohne abschließende Bestimmungen zu diesen Punkten; sie sollen nach den entsprechenden Konsultationen und Prüfungen voraussichtlich im Laufe des ersten Halbjahres 2022 final geklärt werden. „Die EU-Taxonomie-Verordnung ist zum Start weder mit Blick auf die Ziele noch bezüglich der Anforderungen an Unternehmen und Investoren final. Aber sie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Stefan Eich, Leiter strategisches Produktmanagement bei der Deka.

Aber es zeichnen sich bereits weitere Diskussionen ab. Denn die EU-Taxonomie ist bislang binär ausgerichtet, d.h. wirtschaftliche Aktivitäten sind entweder Taxonomie-konform oder nicht. Um die Transition zu weniger umweltschädlichem Verhalten zu unterstützen, kann es aber sinnvoll sein, die große Bandbreite möglicher Auswirkungen von wirtschaftlichen Aktivitäten stärker zu berücksichtigen. So ist eine weitere Klassifizierung nach Aktivitäten, die die Umweltziele wesentlich beeinträchtigen („significantly harmful activities“), und solchen, die keine wesentlichen Auswirkungen auf die Umweltziele haben („no signficant impact activities“) im Gespräch.

Herausforderung durch fehlende Unternehmensdaten.

Für Vermögensverwalter ergibt sich noch eine andere Herausforderung. Eigentlich sollen sie ab 2022 ausweisen, welche Assets in ihren Portfolios ökologisch nachhaltig im Sinne der Taxonomie sind. Aber dies wird nicht von Beginn an möglich sein, schätzt Stefan Eich: „Die Daten sind stark lückenhaft und auch die Datenqualität ist teilweise nicht gut, da die Taxonomie-bezogenen Berichtspflichten für die Unternehmen selbst noch nicht verbindlich und mit Blick auf kleine Unternehmen auch nicht durchgängig geregelt sind. Hier sind die Taxonomie und die nachfolgenden regulatorischen Verpflichtungen zeitlich nicht aufeinander abgestimmt.“

Erst ab 2024 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen im Zuge der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zur Veröffentlichung entsprechender Kennzahlen für das Geschäftsjahr 2023 verpflichtet. Bis dahin müssen sich die Vermögensverwalter behelfen: „Durch die fehlende automatische Veröffentlichung haben wir bei Investitionsentscheidungen im Grunde genommen zwei Möglichkeiten: Entweder beschaffen wir die Daten mit sehr hohem Aufwand im Dialog mit dem jeweiligen Unternehmen selbst oder über Dritte und können damit eine Analyse durchführen - oder wir verzichten, indem wir den Wert „0“ annehmen“, so Eich.

Immerhin plant die EU die Einrichtung einer zentralen Datenbank, dem European Single Access Point (ESAP), in der die im Rahmen der EU-Taxonomie und der Offenlegungsverordnung (engl. Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) geforderten Unternehmensdaten europaweit gesammelt werden sollen. Aktuell laufen die Konsultationen zu dem Projekt. Während Verbände wie der BVI die Errichtung begrüßen und vor allem auf einen erleichterten Datentransfer hoffen, ist Ratingagenturen die kostenfreie Bereitstellung von Daten ein Dorn im Auge, sehen sie hier doch in Teilen ihre eigenen Geschäftsmodelle gefährdet. Und auch die Veröffentlichung der Daten über den ESAP hängt letztendlich an der Veröffentlichungspflicht für Unternehmen.

Trotz der Widrigkeiten begrüßt Stefan Eich den Start der EU-Taxonomie: „Wir sind auf einem guten Weg, um für uns und unsere Anlegerinnen und Anleger mehr Klarheit zu bekommen. Gleichzeitig zeigt sich, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, bis die Taxonomie ihr Gesamtziel erreichen kann. Bislang adressiert das Regelwerk nur zwei Umweltziele. Für die geplanten Ziele drei bis sechs wird es vermutlich im ersten Halbjahr die entsprechenden Rechtsakte geben. Und neben der Akzeptanz von Übergangsaktivitäten durch „no signficant impact activities“ fehlt eine soziale Taxonomie bislang völlig – aber hier gibt es inzwischen ebenso ernst zu nehmende Überlegungen. Herausfordernd ist sicher, dass wir gezwungen sind, mit stark lückenhaften Daten zu arbeiten. Das alles führt zumindest am Anfang dazu, dass zunächst kein Fonds mit einer adäquaten Quote an Taxonomie-konformen Assets angeboten werden kann.“

Es gibt also noch viel zu tun – für den Gesetzgeber ebenso wie für Vermögensverwalter und Investorinnen und Investoren. Ungeachtet dessen beginnt mit dem Start der EU-Taxonomie jedoch eine neue Zeitrechnung auf dem Weg zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft.

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