Zinsbuchsteuerung
Implizite Optionen im Baufinanzierungsgeschäft.
Der Trend zu langfristigen Baufinanzierungen ist ungebrochen. Immer mehr Kunden entscheiden sich für Kredite mit einer Zinsbindung von mehr als zehn Jahren. Dies stellt Sparkassen vor neue Herausforderungen.
März 2019
Immer mehr Privatkunden sichern sich die Kreditkonditionen der anhaltenden Niedrigzinsphase durch lange Zinsfestschreibungen für die Zukunft. Die aktuelle Statistik der Bundesbank zeigt: Das Neugeschäftsvolumen besicherter Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit einer anfänglichen Zinsbindung über zehn Jahre hat sich seit 2010 nahezu verdoppelt. Die Ankündigung der EZB, den Leitzins bis mindestens Mitte 2020 unverändert zu lassen, sollte diesen Trend in den kommenden Jahren noch verstärken. Dagegen stagniert das Neugeschäft mit besicherten Wohnungsbaukrediten mit einer anfänglichen Zinsbindung zwischen fünf und zehn Jahren (Abb. 1).
Sparkassen und Kreditinstitute müssen ihr Angebot auf diese veränderte Nachfrage ausrichten. Damit rückt der § 489 BGB in den Fokus. Er gibt Kunden das Recht, Darlehen mit gebundenem Sollzinssatz nach zehn Jahren jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ohne Vorfälligkeitsentschädigung zu kündigen und zurückzuzahlen. Ein Unsicherheitsfaktor, der die Aktivseite der Bilanz belasten kann.
Quelle: Statistik der Deutschen Bundesbank; Stand: Juli 2019; Monatsdaten 06.2010 – 04.2019
Attraktivität der impliziten Option für Darlehensnehmer steigt.
Da die Zinsen nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer auch in den nächsten Jahren niedrig bleiben dürften, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden vermehrt diese sogenannte implizite Option nutzen werden. Vorausgesetzt, die langfristigen Zinsen sind höher als die kurzfristigen, führt die Steilheit der Zinsstrukturkurve dazu, dass aufgrund der Laufzeitenverkürzung die Umschuldung einer Baufinanzierung für Kunden auch bei einer reinen Seitwärtsbewegung oder einem geringen Anstieg der Zinsen lukrativ sein kann. Bei Aufnahme eines 15-jährigen Darlehens benötigt der Darlehensnehmer zum Ausübungszeitpunkt der Option nur noch ein Darlehen über fünf Jahre anstatt über weitere 15 Jahre – bei einer normalen Zinskurve ist eine Umschuldung des Darlehens damit bereits zu sehr viel günstigeren Konditionen möglich (Abb. 2).
„Die Kündigung des alten Vertrags und die Umschuldung der Baufinanzierung sind relevant für die Gewinn- und Verlustrechnung der Sparkasse“, erklärt Stanimir Denev aus dem Team Strukturierte Produkte bei Deka Institutionell. „Wenn ein Kunde heute eine endfällige Immobilienfinanzierung mit einer Zinsbindung von 15 Jahren abschließt, zahlt er einen festen Zins in Höhe von zum Beispiel 1,87 Prozent. Sollten die Zinsen nach zehn Jahren auf dem heutigen Niveau liegen, kann der Kunde das Immobiliendarlehen ohne Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig kündigen und es für 0,89 Prozent für die restlichen fünf Jahre umschulden. Der Zinsertrag der Sparkasse sinkt in diesem Fall um 98 Basispunkte, von 1,87 Prozent auf 0,89 Prozent.“ (Abb. 3)
Quelle: DekaBank, illustrative Darstellung
Planungssicherheit gewinnen.
Sparkassen können das Kündigungsrecht nach § 489 BGB absichern. Dies ist mit einer Option auf einen Empfänger-Swap (Empfänger-Swaption) möglich. Eine Swaption ist eine Option auf einen Swap, die dem Käufer das Recht gibt, in der Zukunft in einen Swap einzutreten. In diesem Fall handelt es sich dabei um einen Empfänger-Zins-Swap. Das heißt, dass der Käufer des Swaps – in diesem Fall die Sparkasse – eine fixe Zinszahlung erhält und dafür einen variablen Zins zahlt.
Mit der Swaption sichert die Sparkasse den Zahlungsstrom des Darlehens ab. Macht der Kunde von seinem Kündigungsrecht Gebrauch und schuldet die Immobilienfinanzierung zu günstigeren Konditionen um, so reduzieren sich in Folge für die Sparkasse die Cashflows aus den Zinszahlungen des Darlehens. In diesem Fall übt die Sparkasse ihre Swaption aus und tritt in den vorher vereinbarten Swap ein. Diese Zinszahlung gleicht den kundenseitig fehlenden Zahlungsstrom aus. So erhöht sich der Zinsertrag bei gleichbleibenden Zinsen um 0,89 Prozent (Abb. 4).
„Eine Absicherung der impliziten Option ermöglicht es der Sparkasse, ihr Zinsgeschäft frei zu steuern und ihren Kunden sowohl eine Prolongation als auch eine Umschuldung der Baufinanzierung anzubieten“, so Denev. Damit reduziert sich nach Denevs Einschätzung zudem das Risiko, dass der Kunde das Darlehen bei einem anderen Finanzinstitut umschuldet. „Gleichzeitig kann die Sparkasse so den Zinsertrag stabilisieren.“
Den Wert der Absicherung sollten Sparkassen jedoch in der Kalkulation berücksichtigen, um Fehlsteuerungsimpulse zu vermeiden. Der Wert der § 489-Kündigungsoption lässt sich auf der von der DekaBank unter Mithilfe der Sparkassen entwickelten digitalen Plattform Deka Easy Access schnell und effizient berechnen. Über eine intuitiv nutzbare Eingabemaske werden alle erforderlichen Informationen abgefragt und der Preis für die passende Absicherung ausgegeben.
- § 489 BGB Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers.
Quelle: DekaBank, illustrative Darstellung
Quelle: DekaBank, illustrative Darstellung
Auswirkungen auf die Gesamtbanksteuerung der Sparkassen.
Zusätzlich zum Kündigungsrisiko aus § 489 BGB stellen Darlehen mit einer Zinsbindung von über zehn Jahren Sparkassen vor eine weitere Herausforderung. In ihrer Zinsbuchsteuerung nutzen Sparkassen überwiegend die Benchmark „gleitend zehn Jahre“. Vergeben sie in Anbetracht der Nachfrage zunehmend länger laufende Baufinanzierungen, müssen die Laufzeiten mit Swaps in die Zielfristen „gleitend zehn Jahre“ transformiert werden.
Der Transfer des Strukturbeitrags eines 15-jährigen Darlehens von 15 auf zehn Jahre lässt sich über eine Kombination aus einem 15-jährigen kündbaren Zahler-Swap (ein Zahler-Swap, der seitens der Sparkasse in zehn Jahre gekündigt werden kann) und einem zehnjährigen Empfänger-Swap realisieren.
Mit dem kündbaren Zahler-Swap verpflichtet sich die Sparkasse dazu, 15 Jahre lang einen fixen Zins zu zahlen. Dieser Swap kann allerdings nach zehn Jahren von der Sparkasse gekündigt werden. Die Cashflows des Swaps neutralisieren die Zinszahlungen des ursprünglichen Darlehens. Macht der Kunde von seinem Optionsrecht Gebrauch, kann die Sparkasse ihren Zahler-Swap ebenfalls kündigen. Durch den Empfänger-Swap erhält sie zehn Jahre lang eine fixe Zinszahlung. Damit sichert sie sich effektiv einen Cashflow über zehn Jahre, der zu ihrer Benchmark passt. Dabei ist es irrelevant, ob der Darlehensnehmer sein Kündigungsrecht in Anspruch nimmt oder nicht (Abb. 5).