Trends und Innovation
„Fehler können furchtbar teuer werden”
Digitalisierung und Elektrifizierung sind die neuen Motoren der Autoindustrie. Newcomer und Quereinsteiger machen den klassischen Herstellern und Zulieferern Konkurrenz. Deka-Autoexpertin Senta Graf sagt, wie die Chancen der neuen und alten Player stehen – und was das für die Geldanlage in Werte dieser wichtigen Branche bedeutet.
Juli 2021
Interview mit Deka-Autoexpertin Senta Graf.
Frau Graf, in den früher so klassischen Feldern der Autoindustrie spielen immer mehr Branchenfremde wichtige Rollen. Beschäftigen Sie sich als Autoexpertin im Team der Deka inzwischen eigentlich schon mehr mit Tech-Companys wie Foxconn oder Apple statt mit Ford oder Daimler?
Vielleicht muss ich stattdessen ja bald schon Ford oder Daimler an meine Tech-Kollegen abgeben? Scherz beiseite: Die Autohersteller bauen ihrerseits bereits große Software-Abteilungen auf. Die Branche ist eben immer in Bewegung. Das war auch schon früher so; etwa als die Japaner auf den europäischen oder US-Markt kamen – oder später die Koreaner in den Wettbewerb eingriffen.
Das Gerücht, dass Apple, Google oder Uber eigene Autos bauen, bewegt schon länger die Geldanleger – und manche potenziellen Kunden wie etwa die iPhone-Fangemeinde.
Diese Marken sind schon stark. Aber so einfach ist das Autobauen auch nicht. In dieser Branche ist unheimlich viel reguliert. Denken Sie nur an die Crashtest-Vorgaben. Heute muss die ganze Tür den Seitenaufprall abhalten, morgen die Fahrzeugsäule – und übermorgen? Auf einem anderen Kontinent sind die Anforderungen dann plötzlich wieder ganz anders. Da gehört schon wahnsinnig viel Know-how bei der Konstruktion und Fertigung dazu; weit über die sicher vorhandene Softwarekompetenz der Technologiekonzerne hinaus.
Wahrscheinlich sind viele Börsianer von der Aussicht auf das Apple-Auto elektrisiert, weil sie sich ein Kursfeuerwerk wie bei Tesla in den vergangenen Jahren erhoffen.
Sicher spielt da so eine Fantasie mit eine Rolle. Aber auch Tesla hat ja gerade beim Model 3 erfahren müssen, dass Qualität in Großserie nicht so banal ist und Fehler furchtbar teuer werden können. Die Chassis-Fertigung, Fahrwerkabstimmung oder saubere Lackierung sind eben eine Kunst, die viel Erfahrung und perfekte Abläufe braucht. Da werden manche Tech-Firmen wohl lieber Systemlieferanten für Software in Autos etablierter Hersteller werden.
Wie wichtig ist denn angesichts solcher branchenübergreifenden Themen, dass die Deka da breit aufgestellt ist?
Das ist ein Riesenvorteil unserer Teams: Ich habe Kollegen, die seit Jahren eng die Entwicklung von Foxconn oder Apple begleiten. Da können wir uns auch in Bezug auf die Autoindustrie schnell austauschen. Aber ich selbst lerne auch ständig dazu, etwa über Zellherstellung, Batteriemontage oder E-Motoren. Viele Konferenzen und Messen haben ja auch online stattgefunden. Ich konnte also aus dem heimischen Büro auch Auftritte von Newcomern wie Rivian oder Nio in den USA oder China besuchen.
Welche Art von Unternehmen gehört angesichts des digitalen Wandels in ein automobilfokussiertes Portfolio?
Jedenfalls vorerst nicht Apple oder Foxconn. Ihr Hauptgeschäft bewegt sich doch in einem deutlich anderen Feld. Die Autobranche ist eine zyklische Industrie mit eigenem Takt. Darum sollten, wenn man den Anlagekorb auf Automobile ausrichtet, auch die ausgewählten Unternehmen dem Takt dieser Industrie folgen. Sie müssen in diese Logik passen. Darum gehören sicher die klassischen Hersteller in so ein Portfolio – und auch börsennotierte Zulieferer.
Also VW, GM, Toyota, Geely, Conti, Hella und Co.?
Zum Beispiel – ohne, dass ich damit konkrete Aktienempfehlungen gebe. Ich würde aber nicht sagen, dass nur diese Klassiker da ihren Platz haben. Auch eine Infineon, NXP oder Nvidia ist ja inzwischen nah an der Autokonjunktur. Und dass gerade die Halbleiterhersteller existenziell entscheidend wichtig für den Erfolg eines Autoherstellers sind, zeigen derzeit die Produktionsprobleme rund um den Globus. Da haben manche Einkäufer der Hersteller im Coronaschock die Nachbestellung verschlafen. Diese Krise macht deutlich, wie eng Computer-Hardware und -Software bereits mit der Autobranche verwoben sind.
Diese Abhängigkeit ist sicher auch ein Grund, warum etwa Volkswagen gerade eine Software-Tochter mit 10.000 Beschäftigten aufbaut. Werden womöglich die Autofirmen noch die Technologieriesen des nächsten Jahrzehnts?
Die Zahl der Mitarbeitenden gibt gerade bei der Software nur wenig Gewähr für Erfolg. Denken Sie nur an die vielen kleinen Software-Schmieden, die in wenigen Jahren mit der richtigen Idee zu Börsengiganten wurden. Zudem haben die traditionellen Software-Firmen einen sehr dynamischen Ansatz: Hat das Smartphone einen Fehler, gibt es über Nacht ein Update. Das wird beim Betriebssystem für einen Volkswagen, Toyota oder Ford der Zukunft schon haariger. Es ist eben ein Computer auf Rädern – und das auch bei 100 Stundenkilometern auf Eis und Schnee. Außerdem: Auch bei den Smartphones haben sich am Ende nur zwei Betriebssysteme durchgesetzt. Da müssen Autohersteller schon viel Kraft aufwenden, um eine ähnliche Marktbeherrschung zu erzielen.
Haben traditionell starke Zulieferer wie Conti, Denso oder Bridgestone in diesem Wettbewerb noch einen Platz?
Zunächst ist doch einmal festzustellen: Dem rein elektrischen Antrieb gehört die Zukunft – aber die wird derzeit stärker herausgehoben, als es dem tatsächlichen Absatz entspricht. In der Gegenwart – und auch noch auf längere Sicht – spielen global bei der Masse der Kunden immer noch klar Verbrenner die Hauptrolle. Ganz sicher wird also auch bei vielen Zulieferern da noch eine ganze Weile Geld verdient werden.
Obwohl ja auch Zulieferer stark ihre Produkte für die neue elektrische Autowelt ins Rampenlicht stellen.
Gerade die, deren Produkte am Antriebsstrang hängen, müssen etwas tun, um ihre Position in der batterieelektrischen Mobilität mit neuen darauf abgestimmten Angeboten zu halten. Aber oft ist das Mitspielen in dieser neuen Welt derzeit eher kostenträchtig. Man muss auch mal weniger rentable Aufträge annehmen, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das schwächt die Gewinnspanne.
Die bisherigen Zulieferer haben in den wichtigen Bereichen Batterien und E-Motoren ohnehin oft nicht viel zu bieten?
Da ist was dran. Gerade Batterien kommen noch kaum aus Europa. Wer da als Anleger investieren will, ist mit einem global anlegenden Fonds wie dem Deka-MegaTrends gut aufgehoben. Aber auch die europäischen Zulieferer haben in der neuen Autowelt noch genug Entwicklungs- und Kurspotenzial. Das digital vernetzte Elektroauto erfindet die wichtigste Form individueller Mobilität ja nicht völlig neu. Fahrwerk-Komponenten werden auch im E-Auto gebraucht, die Sitze werden bei steigender Autonomie bestimmt noch aufwendiger, Reifen der schweren Batterie-Autos verschleißen schneller. Oder denken Sie an die Lichthersteller: Was fällt Ihnen bei den meisten neuen Elektroautos im Dunkeln zuerst auf?
Die haben oft ein spektakuläres Leuchtendesign und animierte Lichtspiele, wenn man sich dem Auto nähert.
Stimmt. Das E-Auto braucht ja keinen Kühler und hat darum mehr Platz für schick gestylte Lampen mit viel Hightech hinterm Glas. Außerdem mag mancher Elektroauto-Pionier bestimmt, dass sein Nachbar schon von Weitem an blauen Lichtakzenten sieht, dass er jetzt elektrisch fährt. Das ist auch schön für den Hersteller der Scheinwerfer und anderer Leuchten.