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Research und Märkte

„Die Kunden versuchen, flexibel zu bleiben“

Viele Investoren sind verunsichert und fragen sich, wohin die Reise an den Märkten wohl gehen mag. Susanne Hellmann, Leiterin Vertrieb Institutionelle Anleger bei der Deka, und Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka, beleuchten die gegenwärtige Situation und geben Antworten.

Juli 2023

Interview mit Susanne Hellmann und Dr. Ulrich Kater von der Deka


Herr Dr. Kater, 2023 ist kein Jahr wie jedes andere. Was sind die wesentlichen Faktoren, die sich in den vergangenen Monaten geändert haben?

Kater: Ich denke, das Hauptthema ist, dass die Zinsen wieder zurück sind. Das ist zunächst einmal eine wichtige und willkommene Bereicherung der Anlagemöglichkeiten, denn Anleihen sind nun wieder investierbar. Getrübt wird das Ganze aber von den Nebenwirkungen des Zinsanstiegs: Nachdem die Energiekrise überstanden war, hatten wir vorübergehend Stress im Bankensektor. Die akuten Probleme sind zwar überstanden, aber das Ganze ist nicht förderlich für Investitionsentscheidungen und bremst die Wirtschaft. Aber dass eine Phase expansiver Geldpolitik durch Inflation, Zinsanstieg oder eine Rezession beendet wird, ist im historischen Vergleich nichts Ungewöhnliches – es ist sogar eher der Normalfall.

Frau Hellmann, Sie kennen die Situation Ihrer institutionellen Kundinnen und Kunden. Vor welchen Herausforderungen stehen diese Anleger derzeit?

Hellmann: Viele Portfolios haben durch den unerwartet schnellen Zinsanstieg sehr gelitten. Denn die meisten Kunden verfügen aufgrund regulatorischer Vorgaben über einen sehr hohen Rentenanteil in ihrem Portfolio. Durch den schnellen Zinsanstieg ist es bei vielen Rentenpapieren zu hohen Kursverlusten gekommen. Kunden sollten daher im Moment genau prüfen, wie sie in den Portfolios Umschichtungen vornehmen, damit sie nicht aufgelaufene Kursverluste realisieren, die bisher nur buchhalterischer Natur sind. Auf der anderen Seite bieten sich am Rentenmarkt durch die gestiegenen Zinsen wieder attraktive Opportunitäten, speziell im Corporate-Bond-Bereich. Die Kunden müssen daher schauen, wo sie Liquidität herbekommen, um eben diese Opportunitäten nutzen zu können.

Sie erwähnten eben, dass Inflation und Zinsanstieg nichts Ungewöhnliches, sondern nach einer Phase expansiver Geldpolitik eher der Normalfall seien. Sind die Begleiterscheinungen, die wir aktuell sehen, ebenfalls üblich?

Kater: Das lässt sich so nicht ganz genau sagen, denn jeder Normalfall ist sehr unterschiedlich. Was wir im Moment sehen, ist, dass der Zinsanstieg eben nicht nur neue Investitionsmöglichkeiten schafft, sondern auch für neue Herausforderungen sorgt. Die Unternehmen schlagen sich in diesem bewegten Umfeld jedoch sehr gut, besser als von Vielen erwartet. Gleichzeitig haben Unternehmen immer noch die niedrigste Zinslast aller Zeiten, da ihre Finanzierungen noch aus der Zeit stammen, in der Nullzinsen aufgerufen wurden. Perspektivisch wird sich das ändern. Wir können zwar sehen, dass die Zinslasten der Unternehmen wieder ansteigen. Aber es wird noch ein wenig dauern, bis die gestiegenen Zinsen tatsächlich überall in der Wirtschaft angekommen sind.

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka
Susanne Hellmann, Leiterin Vertrieb Institutionelle Anleger

Wie wirkt sich dies in den Investmententscheidungen Ihrer Kundschaft aus?

Hellmann: Wir beobachten, dass viele Kundinnen und Kunden vor dem Hintergrund der hohen Inflation und der etwas ungewissen wirtschaftlichen Aussichten für die nächsten zwölf bis 18 Monate mit Aktieninvestments eher zurückhaltend sind. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Unternehmen Rekordsummen an Dividenden ausschütten, und Aktien unter Ertragsgesichtspunkten für Investoren somit eigentlich interessant wären. Aber die Ungewissheit ist im Moment schwer abwägbar.

Wie agieren diese stattdessen?

Hellmann: Was wir auf der Aktienseite sehen, sind vor allem Beimischungen von passiven Investments. Die Investoren bleiben sehr nah an Indizes, wenn sie Aktienanteile aufstocken. Sie versuchen letztlich, über diese passiven Strukturen flexibel zu sein, um im Fall des Falles reagieren zu können. Wir müssen jedoch auch bedenken, dass wir in den vergangenen zwei, drei Jahren mit sehr vielen Krisen konfrontiert waren, seien es die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg oder die Energiekrise.

Was sind denn aus Ihrer Sicht die künftigen Herausforderungen für die Märkte und auf welches Szenario sollten sich Anleger einstellen?

Kater: Das sind die großen Themen: die Nachhaltigkeitstransformation, der demografische Wandel sowie Tendenzen zur De-Globalisierung. Dabei ist es wichtig, hier nicht von Risiken zu sprechen, sondern von Herausforderungen, denn diesen Themen können wir gar nicht entkommen. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass die Wachstumsraten in der Welt einfach niedriger sind als in den vergangenen 30 Jahren, da diese Themen alle wachstumsmindernd sind. Entsprechend sind weiterhin relativ niedrige Realzinsen das Grundszenario. Das Thema Geopolitik wird wesentlich wichtiger sein als in den vergangenen Jahren. Und ja, der Klimawandel erscheint Vielen als Belastung für das Wachstum. Aber am Ende zahlen sich die zusätzlichen Investitionen aus. Und es gibt auch Branchen, die von der Transformation profitieren. Bei jeder Anlagestrategie sollte geprüft werden, wie man die Chancen in diesen Bereichen ins Portfolio einbauen kann. Und umgekehrt, wie man die Risiken aus dem Klimawandel vermeidet.

Spielt das Thema Nachhaltigkeit bereits eine entsprechend große Rolle bei den Anlegenden?

Hellmann: Nachhaltigkeit ist auch bei unseren Kundinnen und Kunden ein ganz großes Thema, so wie überall. Viele Investoren müssen aufgrund der regulatorischen Vorschriften Nachhaltigkeitskriterien in der Portfoliogestaltung berücksichtigen. Sie dürfen bestimmte Sektoren nicht mehr aufgreifen oder wollen in bestimmte Themen mit Bezug zu Nachhaltigkeit vermehrt investieren. Das sind Schritt-für-Schritt-Entwicklungen, aber sehr stark getrieben durch Regulatorik. Tatsächlich haben immer noch viele institutionelle Investoren Vorbehalte, dass Nachhaltigkeit auf Kosten ihrer Rendite gehen könnte.

Quelle: Markt & Impuls, Sonderausgabe Juli 2023

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