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Research und Märkte

Europa punktet bei Aktien mit seiner Vielfalt.

An den Börsen setzt sich das Bild des Vorjahres fort: Es sind vor allem die großen US-Technologieunternehmen, die den Markt bestimmen. Aber im Schatten der „Magnificent Seven“ finden Fondsmanager auch in Europa vielversprechende Unternehmen. Markus Zipperer, Senior Investment Stratege bei der Deka, weiß warum.

März 2024

Richtig gute Nachrichten sind es nicht, die in diesen Tagen aus Europa kommen. Anfang Februar musste die Europäische Kommission in ihrer Winterprogose die Erwartungen für das BIP-Wachstum im laufenden Jahr von 1,2 % auf nur noch 0,8 % revidieren. Zwar konnte die EU eine Rezession vermeiden, Besserung ist nach Einschätzung von Experten aber auch nicht in Sicht – ganz im Gegensatz zur Weltwirtschaft insgesamt, die nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds 2024 um 3,1 Prozent wachsen könnte. Und auch bei Zukunftsthemen wie der Digitalisierung oder dem Einsatz von KI scheint die Musik im Moment vor allem außerhalb Europas zu spielen. Warum also sollten Investoren jetzt doch auch einen Blick auf europäische Aktien werfen?

DAX spiegelt nicht die deutsche Wirtschaft wider.

Für Markus Zipperer eine durchaus lohnenswerte Überlegung. Der Senior Investment Stratege der Deka räumt deshalb schnell mit einer Fehleinschätzung auf: „Es gibt relativ wenig Gleichlauf zwischen einer Volkswirtschaft wie der deutschen, und dem dazugehörigen Aktienindex wie dem DAX. Denn der deutsche Leitindex ist kein Spiegelbild der heimischen Wirtschaft, sondern umfasst 40 oftmals weltweit agierende Unternehmen. Wenn man sich anschaut wie wenig Umsatz VW, Daimler oder BASF in Deutschland machen und wieviel in China oder den USA, dann wird schnell deutlich, dass man bei der Bewertung der Unternehmen eher auf die Weltwirtschaft schauen muss – und die läuft derzeit gar nicht so schlecht.“ Während das Wachstum in Europa eher mau ist, geht die Deka beispielsweise für die USA von einem Wachstum von 2,5 Prozent aus – also eher von „no landing“ als von „soft landing“. Und von dieser Entwicklung profitieren eben auch europäische und deutsche Unternehmen.

Markus Zipperer

Senior Investment Stratege, Deka CIO-Office

Hoher Bewertungsabschlag bei europäischen Unternehmen.

Der Wachstumsunterschied schlägt sich auch in den unterschiedlichen Bewertungen von US-Aktien und europäischen Aktien nieder, meint Markus Zipperer: „Der US-Markt ist mit einem durchschnittlichen KGV von 20 im Vergleich zum europäischen Markt mit rund 13 relativ teuer. Die Erwartungen für das Gewinnwachstum wiederum liegen in den USA bei plus 10 Prozent, für europäische Unternehmen bei fünf Prozent.“ Die Frage sei nun, ob fünf Prozentpunkte weniger Wachstum so einen deutlichen Bewertungsabschlag rechtfertigen. Aus seiner Sicht ist dies ein erstes Argument für europäische Aktien.

Bei der Auswahl spielen jedoch die Rahmenbedingungen in Europa eine Rolle. So sind Unternehmen, die strukturell wachsen können und von der konjunkturellen Entwicklung weniger abhängig sind, wie etwa im Pharmasektor, attraktiver. Auch die steigenden Reallöhne sind ein Faktor. Unternehmen, welche über eine gute Marktstellung und Preissetzungsmacht verfügen, sind eher in der Lage, diese erhöhten Kosten weiterzugeben.

Vor dem Hintergrund der Schwäche der europäischen Volkswirtschaften gilt: Ein globaler Antritt im Geschäftsmodell ist wichtiger als eine Verankerung im nationalen Markt. „Gerade in der zweiten oder dritten Reihe der deutschen Unternehmen haben wir viele, die stark an der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland hängen. Geschäftsmodelle mit einer internationalen Ausrichtung finden wir eher in den großen Indizes“, so der Experte.

Mehr Planungssicherheit.

Dabei sieht Zipperer die internationale Ausrichtung vor Veränderungen, von denen Europa aber durchaus profitieren könnte. Die Globalisierung erfährt zunehmend Gegenwind, der Austausch mit China steht immer stärker unter politischen Vorbehalten und eine Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November könnte das Thema Handelszölle wieder stärker auf die Agenda bringen. Diese politische Unsicherheit sowie der Wunsch, Lieferketten zu diversifizieren und stabiler aufzustellen, lassen Unternehmen verstärkt über das Thema Nearshoring nachdenken, die Verlagerung von Produktionskapazitäten in Richtung der Heimatmärkte. Wobei gilt: „Deutsche Unternehmen verlagern weniger zurück nach Deutschland, sondern beispielsweise nach Osteuropa, wo die Personalkosten zwar höher als in Asien sind, aber immer noch niedriger als hierzulande.“ De-Globalisierung führt also zwar zunächst zu höheren Kosten für die Unternehmen, andererseits liegt die Produktion näher am Absatzmarkt: „Das verringert wiederum die Logistikkosten, es kann wieder mehr just-in-time produziert werden und die Lagerhaltung sinkt.“ Auch biete Europa verglichen mit anderen globalen Standorten mehr Planungssicherheit und bessere Eigentumsrechte. Betriebswirtschaftlich kämen auf die Unternehmen damit zwar höhere Kosten zu, aber Markus Zipperer ist optimistisch, dass sie das größtenteils auffangen können: „Dies dürfte keine signifikanten Auswirkungen auf die Gewinne haben.“

Europas Aktienmarkt steht stabiler.

Grundsätzlich spielt die Frage nach den Stärken einzelner Länder und Regionen bei der Aktienauswahl zunehmend weniger eine Rolle. „Einzelne Länderindizes wie der MIB in Italien haben eine starke Gewichtung in Finanztiteln. Das war 2023 gut, aber wird das angesichts möglicher Zinssenkungen so bleiben? Wichtiger ist die Frage, welche Branchen attraktiv sind und was in diesen Branchen die guten Unternehmen sind.“ Und hier kann Europa mit seiner Vielfalt punkten: „Der US-Aktienmarkt ist derzeit extrem abhängig von der kleinen Gruppe der sogenannten Magnificent Seven, das sind die Tech-Unternehmen Alphabet, Amazon, Apple, Microsoft, Meta, Nvidia und Tesla. Danach kommt erst einmal nicht viel. Europa wiederum hat zwar nicht solche Tech-Schwergewichte. Dafür ist der Markt hier breiter. Natürlich sind die europäischen Tech-Unternehmen wie SAP und ASML besonders gut gelaufen, aber daneben gibt es eben auch eine Novo Nordisk aus dem Pharmabereich oder eine LVMH aus dem Luxusgüterbereich. Der Tech-Sektor in den USA ist wie ein kräftiger Elefantenfuß, den kriegt man so leicht nicht kaputt. Europa hingegen hat nicht den einen Elefantenfuß, dafür aber mehrere kleinere und steht so vielleicht etwas stabiler, wenn der dicke Elefantenfuß doch mal wackelt.“

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