Recht und Regulatorik
„Früh in Kontakt treten und miteinander sprechen“
Die Deka-Finanzexperten, Christian Hesse und Adem Memis, entwickeln gemeinsam mit Stiftungen eine individuelle Anlagepolitik. Im Interview erläutern die beiden, aus welchen drei Bausteinen sich eine Anlagerichtlinie zusammensetzt und warum für eine erfolgreiche Anlagestrategie der Kommunikationsfluss zwischen Stiftung und Experten entscheidend ist.
Juni 2024
Interview mit Christian Hesse und Adem Memis, Stiftungs-Experten bei der Deka.
Herr Hesse, Herr Memis, wie wirkt sich die aktuelle Entwicklung der Weltwirtschaft auf Anlagerichtlinien aus?
Hesse: Eine Anlagerichtlinie sollte langfristig die Grundsätze der Vermögensverwaltung abdecken und gleichzeitig Veränderungen zulassen, also langfristig und flexibel ausgerichtet sein. Gerade in den vergangenen zehn Jahren konnte man feststellen, dass sich Anlagerichtlinien an die Niedrigzinsphase anpassen mussten, um weiterhin ordentliche Erträge zu erzielen. In letzter Zeit ist die Risikobereitschaft in Stiftungen etwas gestiegen, ebenso die Illiquiditätsquoten.
Memis: Vor 20 Jahren reichte es aus, europäische oder Euro-Aktien und eine Auswahl mitteleuropäischer Staatsanleihen im Portfolio zu haben. Im Niedrigzinsumfeld war es jedoch nur noch schwer möglich die gewünschten bzw. benötigten Renditen und Erträge zu erwirtschaften. Daher haben die Anleger ihre Anlagestrategien internationalisiert, indem sie sowohl in internationale Aktien, Staats- und Unternehmensanleihen als auch gegebenenfalls in Hochzinsanleihen investiert haben, sofern dies mit den regulatorischen Rahmenbedingungen vereinbar war. Die Notwendigkeit hat in den vergangenen zwei Jahren etwas abgenommen, da mit Staats- und Unternehmensanleihen wieder eine positive Basisrendite erzielt werden kann.
Wie gehen Sie bei der Erstellung einer Anlagerichtlinie vor?
Memis: Die gesetzlichen Vorgaben wie auch die Bestimmungen der einzelnen Stiftungen haben für uns oberste Priorität. Sie sind der erste wichtige Baustein der Anlagerichtlinie. Von hier aus stellt sich als nächstes die Frage, welche Risikotragfähigkeit gegeben und welche Zielrendite bzw. Ertrag für die Finanzierung des Stiftungszwecks gewünscht ist. Es sind also drei Größen – regulatorische Vorgaben, Risikotragfähigkeit und Renditewunsch – die aufeinander abgestimmt werden müssen. Dabei ist zu beachten, dass Risikotragfähigkeit und Renditewunsch zueinander passen müssen.
Christian Hesse
Kundenbetreuer Kompetenzteam Stiftungen, Deka
Welche Auswirkungen haben Trends wie technologische Innovationen auf die Anlagerichtlinie?
Memis: Auf die Anlagerichtlinie mit ihren Leitplanken keine, wohl aber auf die Anlagestrategie. Und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen machen wir uns technologische Innovationen im Bereich künstliche Intelligenz oder Machine Learning zunutze, indem wir in Unternehmen investieren, die von diesem Trend profitieren. Zum anderen nutzen wir diese Technologien auch intern im quantitativen Management, etwa bei der Prognose der zukünftigen Renditen und der Risiken von Assetklassen. So können beispielsweise Ad-hoc-Meldungen von Unternehmen daraufhin analysiert werden, wie wahrscheinlich eine positive oder negative Reaktion der Aktie sein könnte. Dies verbessert im Mittel die Renditeprognosen, was wiederum zu besseren Investitionsentscheidungen und somit zu langfristigen Gewinnen für Stiftungen führt.
Hesse: Unabhängig davon, ob es sich um kleinere oder größere Stiftungen, Publikumsfonds oder Spezialfonds handelt – diese Trends, wie wir sie derzeit zum Beispiel im Bereich der künstlichen Intelligenz erleben, erfordern ein diskretionäres oder fundamental quantitatives Management, das den Überblick hat und im Rahmen der bestehenden Anlagerichtlinie in die richtigen Titel investiert.
Wie gestalten Sie Anlagestrategien, um langfristige Stiftungsziele zu erreichen und gleichzeitig angemessene Renditen zu erzielen?
Memis: Das Ganze ist ein stringenter Prozess, bei dem die Stiftung uns – neben den gesetzlichen und regulatorischen Bestimmungen – ihre Vorgaben und Erwartungen zu Risiko und Rendite mitteilt. Durch die Angaben zur Risikotragfähigkeit wissen wir dann unter anderem, ob die Stiftung ein konservativer oder ein offensiver Anleger ist. Auf Basis dieser Leitplanken wird für jeden Kunden individuell das Anlageuniversum, d.h. die erlaubten/gewünschten Assetklassen, Regionen, Sektoren, Währungen etc., und deren Anlagegrenzen bestimmt. Die resultierende Anlagerichtlinie dient als Basis für die Umsetzung bspw. einer quantitativen Anlagestrategie mit der Zielsetzung, in dem gewählten Risikorahmen eine angemessene Rendite bzw. Ertrag zu erwirtschaften. Ob konservativ oder offensiv: Für den Anleger soll dabei transparent sein, wie sein Investment mit den entsprechenden Marktrisiken umgeht, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Natürlich befinden wir uns heute in einem anderen Marktumfeld als noch vor zwei-drei Jahren. Das Niedrigzinsumfeld ist vorbei, und wir haben wieder positive Anleiherenditen. Auch ist die erwartete Rendite pro Risikoeinheit höher als in der Vergangenheit, was wir in den Anlageausschusssitzungen kommunizieren. Durch diese Transparenz gibt es keine Diskrepanz zwischen den Erwartungen und der eingetretenen Wertentwicklung.
Hesse: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Diversifikation. Nicht nur Aktien und Anleihen können für ordentliche Erträge sorgen, sondern je nach Anlagerichtlinie auch etwa Immobilien. Das Fondsmanagement nutzt den Spielraum der durch die Anlagerichtlinie gesetzt wird, um möglichst breit zu diversifizieren, um innerhalb sowie zwischen den Assetklassen optimal aufgestellt und langfristig erfolgreich zu sein.
Adem Memis
Leiter Quantitatives Fondsmanagement & GTAA, Deka
Welche Fehler machen Stiftungen bei ihrer Anlagerichtlinie?
Hesse: Das Management kann immer nur so gut agieren, wie es innerhalb der Anlagerichtlinie möglich ist. Wurde seitens der Stiftung in der Anlagerichtlinie beispielsweise zu intensiv mit Restriktionen gearbeitet, kann man der ökonomischen Realität und vor allem den Anlagezielen nicht mehr gerecht werden. Ein anderer möglicher Nachteil wäre, Nachhaltigkeitskriterien in die Anlagerichtlinie nicht explizit einzubeziehen, obwohl dies erwünscht ist; ein weiterer, sich zu stark auf ein definiertes Produkt und nicht auf Anlageklassen zu konzentrieren. Um all dies zu vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig in Kontakt zu treten und miteinander zu sprechen.
Welchen Tipp geben Sie Stiftungen, um Anlagerichtlinie und Anlagestrategie flexibel und dennoch konkret zu gestalten?
Hesse: Eine Möglichkeit, sofern es das Anlagevermögen der Stiftung zulässt, ist der Spezialfonds, bei dem die Anlagerichtlinie und auch die Nachhaltigkeitskriterien automatisch überwacht werden. Darüber hinaus gibt es Ausschüttungen, die individuell angepasst werden können, und nicht zuletzt einen Anlageausschuss. Dieser trifft sich regelmäßig mit den Fachexperten des Fondsmanagements, tauscht sich über die Marktgegebenheiten aus und gibt Impulse für das zukünftige Fondsmanagement. Hinzu kommt als Vorteil, dass man ein gutes Reporting hat, mit dem man sich z.B. in Bezug auf Performance, Marktentwicklung und Nachhaltigkeit ausweisen kann.
Memis: Meine Empfehlung ist, bei Änderungen der Anlagerichtlinie rechtzeitig auf die Expertenteams zuzugehen und sich beraten zu lassen. Welche Ziele verfolgen wir? Wie sollen wir darauf aufbauend unsere Anlagerichtlinie gestalten? Einerseits allgemein für die Stiftung, andererseits konkret für die einzelne Anlage im Spezial- oder Publikumsfonds.
Wie unterstützen Sie Stiftungen hierbei konkret?
Hesse: Der ständige Dialog mit unseren Stiftungen und die frühzeitige Einbindung sind uns sehr wichtig. Wir haben ein ganzes Kompetenzzentrum für Stiftungen, das ca. 6 Milliarden Euro verwaltet und mit dem „Deka-Stiftungen Balance“ vor über 20 Jahren einen der ersten Stiftungsfonds aufgelegt hat. Darüber hinaus haben wir einen großen Investorenkreis sowie ein gutes Netzwerk, in dem wir von Veränderungen vorzeitig erfahren und gestaltend reagieren können. Durch unsere Unternehmensgröße profitieren unsere Anlegenden von Skaleneffekten und natürlich unserer Expertise in steuerlichen, regulatorischen und volkswirtschaftlichen Fragen.
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